Bernhard Fetz, Klaralinda Ma, Wendelin Schmidt-Dengler, Phantastik auf Abwegen

Buch-Cover

Manchmal leistet sich die Germanistik eine Abweichung von ihren religiös-strengen Regeln und spendet ihre Gunst einem lustigen Außenseiter in der Provinz.

Und wenn dieser wunderbare Kerl dann fünfzig Jahre tot ist, kriegt er Anerkennung und eine Hommage.

1954 ist in Meran der kauzige Fritz von Herzmanovsky-Orlando gestorben, eine Doppelbegabung für Zeichnung und Literatur, ideal, um ihn zu Lebzeiten immer der anderen Zunft zuzuschieben, so dass zu Lebzeiten kaum etwas erschienen ist. Und auch nach dem Tod war es vor allem jene verhunzende Bearbeitung Friedrich Torbergs, die den Dichter ins Gespräch brachte. Auch die Versuche, das Gesamtwerk auf die Leseschiene zu bringen, ist nicht gelungen.

Aber die aktuelle Hommage macht eine Menge wieder gut. Paul Flora berichtet von den Zacken im zeichnerischen Werk FHOs, wie dieser magisch abgekürzt wird. Wendelin Schmidt-Dengler hangelt sich von Fragment zu Fragment. Er tut dies im Bewusstsein, ein geheimer Nachfahre des Gewürdigten zu sein. Astrid Wallner kümmert sich um das imperfekte Kleid, wie sie die Verbindung von Ästhetik und Mythologie überschreibt.

Das Wichtigste vom Lebenslauf: 1877 FHO in Wien geboren, Architekt, Erkrankung, 1916 wegen der guten Luft Übersiedlung nach Meran, gestorben 1954. Die häufigsten Wortschlingen, mit denen man versucht, ihn und sein Werk zu fassen, lauten skurril und grotesk. Da kann man sich ausmalen, wie hart sich die Germanistik tut, mit ihren so gepflegten Begriffen einen Wortwahnsinnigen zu fassen. Der Thesaurus der Habsburgermonarchie dient als Unterlage für die skurrilen Geschichten, heißt es etwa.

Und gleichsam grotesk eine sogenannte Conclusio (153): ?Herzmanovsky-Orlando karikiert erfolgreich die Feinmechanik eines verrotteten Beamtenimperiums (?Gaulschreck?, ?Cavalerie Huscher?), demontiert mit seiner Tarockerei auf geniale Weise die Grundlagen des modernen Staatswesens und das noch dazu in einer Zeit, in der Nationen sich erst zu konstituieren begannen und fast jeder an sie glaubte.

Außerdem nimmt er im ?Maskenspiel der Genien? mit der Aufsplitterung des Textes in tausend Fraktale auf Kosten narrativer Stringenz die rhizomatöse Schreibweise der DekonstruktivistInnen vorweg (insofern ist das ?Maskenspiel der Genien? tatsächlich ein utopischer Zukunftsroman, der 1966 spielen könnte).?

Die Sätze der Germanisten sind genau so tarockisch wie jene von Herzmanovsky-Orlando, das hat vermutlich damit zu tun, dass die Germanistik ohne es zu wissen genau so funktioniert wie die Habsburgermonarchie. So gesehen stellt diese tolle Hommage den FHO wirklich in den Kontext, denn was nicht Text ist, ist bekanntlich Kontext.

Bernhard Fetz / Klaralinda Ma / Wendelin Schmidt-Dengler, Phantastik auf Abwegen. Fritz von Herzmanovsky-Orlando im Kontext. Essays, Bilder, Hommagen.
Wien: folio 2004. 200 Seiten. EUR 19,50. ISBN 3-85256-286-4.

 

Helmuth Schönauer, 16-01-2005

Bibliographie

AutorIn

Bernhard Fetz / Klaralinda Ma / Wendelin Schmidt-Dengler

Buchtitel

Phantastik auf Abwegen. Fritz von Herzmanovsky-Orlando im Kontext. Essays, Bilder, Hommagen

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

folio

Seitenzahl

200

Preis in EUR

EUR 19,50

ISBN

3-85256-286-4

Kurzbiographie AutorIn

Bernhard Fetz, geb. 1963 in Höchst, ist an der Germanistik Wien.<br />Klaralinda Ma, geb. 1952 in Klagenfurt, ist Bibliothekarin am Wiener Landesarchiv.<br />Wendelin Schmidt-Dengler, geb. 1942 in Zagreb, ist Leiter des Österreichischen Literaturarchivs.