Sara Rukaj, Die Antiquiertheit der Frau

sara rukaj, die antiquiertheit der frau„An die Stelle des feministischen Subjekts ist heute die »Performität« aller möglichen Identitäten getreten, mit denen herzhaft gespielt und en passant um die vielfältigsten Geschlechterpronomen gewetteifert wird. In Zeiten des flexibilisierten Spätkapitalismus ist die vereinzelte Identität – ganz im Gegensatz zur Individualität – die schlechterdings gefragte Bastion.“ (S. 10 f)

Seit den 1970-er Jahren erlebt die Gesellschaft im Verhältnis der Geschlechter und zur Sexualität eine radikale Veränderung, in denen die Gleichstellung der Frau und die Ablehnung alter sexueller Normen zum Mainstream im allgemeinen Bewusstsein und der öffentlichen Meinung avancierte. Mittlerweile drohen diese gesellschaftlichen Errungenschaften aber in einer allgemeinen Ablehnung des alten Geschlechterbegriffs unterzugehen und die „Frau“ in einer Flut verschiedener „Identitäten“ zu verschwinden.

Gleich zu Beginn wird der Frage nachgegangen, wie eine Entwicklung möglich war, in der selbst Frauen ein „Frausein“ negiert und eine Dekonstruktion der Geschlechter gefördert haben. Dies wurde nicht als Befreiung der „Lüste und Körper“, sondern auch als Kritikansatz an den bestehenden Herrschafts- und Machtstrukturen begrüßt. Die soziale Wirklichkeit wird in dieser Sichtweise zu einer Spielwiese des Konstruktivismus, in der das „So-Sein-Sollen“ zum moralischen Maßstab des Verhaltens und richtigen Lebens gemacht wird. Judith Butlers Buch „Gender Trouble“ veränderte durch ihre Dekonstruktion von Differenz und Geschlecht die Frauenbewegung in einem ungeahnten Ausmaß, in dem das Weibliche gezielt entwertet und aufgehoben wurde.

In einem anderen Kapitel ruft Rukaj die mittlerweile eingestellte radikale Zeitschrift der westdeutschen Frauenbewegung „Die schwarze Botin“ in Erinnerung, die in Abgrenzung zu der von Alice Schwarzer angeführten zweiten Frauenbewegung stand. Darin wurde auf die Gefahren hingewiesen, wenn vor allem die geschlechtlichen Besonderheiten von Frauen und der Gegensatz zu Männern zentral in den Mittelpunkt des Denkens gestellt würden, anstatt die genuinen Machtverhältnisse kompromisslos zu hinterfragen.

Die Nachfolgegeneration der Frauenbewegung distanziert sich von den alten Begrifflichkeiten ihrer Vorgängerbewegung und setzt die Frau unter Anführungszeichen, subsumiert sie gleich unter dem Sammelbegriff FLINTA oder lässt sie unter Bezeichnungen wie „Person mit Uterus“ gleich ganz verschwinden. Im Mittelpunkt steht nunmehr die Wandelbarkeit der Geschlechter, die mit unterschiedlichsten Geschlechterpronomen zum Ausdruck gebracht werden sollen.

Die Frau wurde „zum Diebesgut der Queer-Bewegung, die Frauenrechte inzwischen selbstbewusst für sich reklamiert, ohne das Wort Frau auch nur zu gebrauchen.“ (S. 184)

Die neue Frauenbewegung verbindet sich dabei mit anderen Bewegungen, die auf postkoloniale Theorien aufbauen und denen die Opferrolle als zentrales Wesensmerkmal anhaftet und damit für sich schon einen Wahrheitsanspruch stellen darf. Dabei werden reale Probleme zugunsten der Welt, wie sie sein soll in den Hintergrund gedrängt, was sich auch in der unterschiedlichen Beurteilung der Prostitution in den Frauenbewegungen wiederfindet.

Sara Rukajs „Die Antiquiertheit der Frau“ bietet eine scharfe Kritik der neuen sogenannten linken Frauenbewegung, in der die Frau und ihre Anliegen zunehmend zum Verschwinden gebracht werden. Anhand zahlreicher Beispiele und theoretische Auseinandersetzung mit den Grundlagen gegenwärtiger Entwicklungen im Bereich der Frauenbewegung verweist sie auf die davon ausgehenden Gefahren und Unzulänglichkeiten des Gender- und Queerfeminismus, der den „antifeministischen Rollback“ am kräftigsten fördern würde.

Ein überaus streitlustiges Sachbuch das heftige Kritik an gegenwärtigen Strömungen zum Ausdruck bringt und deren zunehmende öffentlich forcierte Ausbreitung scharf in Frage stellt.

Sara Rukaj, Die Antiquiertheit der Frau. Vom Verschwinden des feministischen Subjekts, aus d. Reihe: Critica Diabolis 303
Berlin: Edition Tiamat 2022, 208 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-89320-286-7

 

Weiterführender Link:
Edition Tiamat: Sara Rukaj, Die Antiquiertheit der Frau

 

Andreas Markt-Huter, 20-06-2023

 

Bibliographie

AutorIn

Sara Rukaj

Buchtitel

Die Antiquiertheit der Frau. Vom Verschwinden des feministischen Subjekts

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2022

Verlag

Edition Tiamat

Reihe

Critica Diabolis 303

Seitenzahl

208

Preis in EUR

18,50

ISBN

978-3-89320-286-7

Kurzbiographie AutorIn

Sara Rukaj wurde in Wien geboren, lebt in Frankfurt und hat Literatur, Philosophie und Psychologie studiert. Als freie Autorin beschäftigt sie sich mit Antisemitismus, Feminismus und Ideologiekritik. Sie schreibt für die FAZ, NZZ, Jungle World, Welt und Zeit.