Robin Forstenhäusler u.a., Probleme des Antirassismus

andreas stahl, probleme des antirassismus„Anlass des vorliegenden Sammelbandes zu Problemen des Antirassismus ist ein grundlegendes Unbehagen mit diesen, in der Öffentlichkeit oft kritiklos und mit großer moralischer Verve verbreiteten Dogmen des vorherrschenden Antirassismus. Es stellen sich Fragen wie: Was soll eigentlich ›systemischer‹ oder ›institutioneller Rassismus‹ sein? Verdrängt dieser Begriff allmählich gesellschaftstheoretische Ansätze überhaupt …“ (S. 9)

Von Amerika kommend hat die Diskussion über Rassismus, Antirassismus, strukturellen Rassismus, kulturelle Aneignung u.a. auch Europa voll erfasst und sorgt, medial unterstützt, immer wieder für heftige, zum Teil sehr emotionale und meist moralisch hochgeladene Diskussionen zwischen verschiedenen Gruppen der Gesellschaft. „Probleme des Antirassismus“ setzt sich dazu kritisch mit den theoretischen Grundlagen und den dahinterliegenden Grundkonzepten der Antirassismusbewegung auseinander.

In neunzehn Beiträgen beschäftigt sich der umfangreiche Sammelband mit den großen Themenbereichen „Probleme antirassistischer Grundkonzepte“, „Materialistische Rassismusanalyse“, „Antirassismus & Antisemitismus“ und „Postkolonialismus & Zionismus“.

Ulrike Marz weist in ihrem Beitrag „Critical Whiteness“ darauf hin, dass den meisten theoretischen Ansätzen und praktischen Umsetzungen die Annahmen zugrunde liege, dass „Rasse“ eine soziale Konstruktion sei, die Herabsetzung „rassisch“ markierter Personen als Ausdruck von Machtverhältnissen zu verstehen sei, dass Rassismus strukturell und institutionell weißen Gesellschaften grundsätzlich zugrunde liege und weiße Menschen deutlich messbare Privilegien genießen. In diesen Theorien liege struktureller Rassismus somit in der Struktur westlicher Gesellschaften fest verankert und bewirke, dass Weiße in diesen Strukturen permanent bevorzugt und von klein an rassistisch sozialisiert werden, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Kritisiert wird an der Argumentation der Vertreter der Critical Race Theorie ein Zirkelschluss, der definiert, dass Weiße von Geburt an Rassisten seien, weil sie Rassisten sind, während Schwarze oder People of Color keine Rassisten sein könnten, weil eben nur Weiße Rassisten seien aber nie Schwarze. Diese Haltung setze wiederum einen überwunden geglaubten Rassismus mit umgekehrten Vorzeichen fort.

Damit steht von vornherein fest, wo Rassismus zu finden ist und wo nicht, der Begriff ist somit in erster Linie ein ideologischer Begriff, der keine neuen Erkenntnisse zulässt, die seinen Prämissen widersprechen. Critical Race Theorien lehnen in diesem Zusammenhang universalistische Antworten auf den Rassismus als westlich dominiertes Denken ab.

Dabei kommt der Intersektionalität eine zentrale Bedeutung zu, in der verschiedene politische Strömungen, wie z.B. Quer-Feminismus und Antirassismus, Unterdrückung und Widerstand als gemeinsames, zusammenwirkendes, sich überschneidendes und verstärkendes Phänomen denken.

Bewegungen, die diese Theorie vertreten, könnten in Gesellschaften, die Rassismus grundsätzlich ablehnen, darauf bauen, sich selbst als Experten für die Diagnose und Bekämpfung von Rassismus auszugeben. Aus dieser Sicht geht es letztlich auch um Macht und um Druckmittel zur Erweiterung von Macht.

Weitere Beiträge zu den einzelnen Kapiteln beschäftigen sich mit der Inkohärenz des systemischen Rassismusbegriffs, mit den Problemen intersektioneller Gesellschaftstheorien, dem Orientalismus Edward Saids, der Diversity in der praktischen Umsetzung, dem Antizionismus der Gegenwart, der Sozialpsychologie des Rassimus, der Haltung von postkolonialen Rassismustheorien zu Antisemitismus, zu Holocaust und Israel.

Die umfangreiche Aufsatzsammlung „Probleme des Antirassismus“ setzt sich mit unterschiedlichsten Fragestellungen mit den Widersprüchen und Forderungen postkolonialer Theorien auseinander, die in vielfältigen Ausformungen zunehmend die gesellschaftlichen öffentlichen Debatten und universitäres Denken beeinflussen.

Der Sammelband besticht durch seinen thematischen Facettenreichtum, der auch Leserinnen und Lesern, die mit der Materie weniger vertraut sind, einen gezielten und verständlichen Einblick und Überblick über die zentralen Fragen der Antirassismusbewegung und postkolonialer Studien zu vermitteln weiß.

Robin Forstenhäusler / Meir Litvak / Ulrike Marz u.a., Probleme des Antirassismus. Postkoloniale Studien, Critical Whiteness und Intersektionalitätsforschung in der Kritik, eine Veröffentlichung der Gesellschaft für kritische Bildung, hg. v. Andreas Stahl / Robin Forstenhäusler / Katrin Henkelmann u.a., aus d. Reihe: Critica Diabolis 311
Berlin: Edition Tiamat 2022, 592 Seiten, 35,00 €, ISBN 978-3-89320-296-6

 

Weiterführender Link:
Edition Tiamat: Probleme des Antirassismus

 

Andreas Markt-Huter, 20-06-2023

Bibliographie

AutorIn

Robin Forstenhäusler / Meir Litvak / Ulrike Marz u.a.

Buchtitel

Probleme des Antirassismus. Postkoloniale Studien, Critical Whiteness und Intersektionalitätsforschung in der Kritik, eine Veröffentlichung der Gesellschaft für kritische Bildung

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2022

Verlag

Edition Tiamat

Herausgeber

Andreas Stahl / Robin Forstenhäusler / Katrin Henkelmann u.a.

Reihe

Critica Diabolis 311

Seitenzahl

592

Preis in EUR

35,00

ISBN

978-3-89320-296-6