Franz Kabelka, Kubanische Krokodile

franz kabelka, kubanische krokodileFür das große Tourismus-Spiel werden überall auf der Welt Revolutionen eingefroren wie Dornröschen und später in kleinen Dosen von flanierenden Touristen wachgeküsst. Politik und Konsum leben von Bildern im Netz, die uns Tag und Nacht Ausschau halten lassen, ob wir uns mit passenden Selfies mit irgendwelchen Ikonen dazugesellen könnten.

Für Franz Kabelka sind die Genres Krimi oder Thriller nur nebensächliche Gerüste, um eine Story im Buchhandel unterzubringen. Sein Hauptanliegen ist unterhaltsames Durchstreifen von Kulturen und Lebensmodellen, die wir nur mit Hilfe von Klischeebildern zu kennen glauben.

Der Thriller „Kubanische Krokodile“ handelt von einer vorgeblich journalistisch motivierten Kuba-Reise. Die Wiener Journalistin Frieda arbeitet für das Magazin „opinion“ und soll zum Tod von Fiedel Castro eine Reportage über das in Revolution erstarrte Land machen.

Literarisch gesehen ist dieser Plot so tapfer ausgeführt, als wäre es die letzte Gelegenheit, noch einmal als schreibendes Individuum so einen Roman zu produzieren. Diese konventionelle Erzählform wird man künftig wohl einer schreibenden KI überlassen. Und kluge Leser haben sich bereits eine Lese-KI zurechtgelegt und werden solche Romane in Zukunft von der App lesen und abscannen lassen. Apropos scannen: Am Buchende ist quer zu den Danksagungen ein QR-Code installiert, mit dem sich Recherche-Bilder des Autors herunterladen lassen.

Franz Kabelka hat hinter die standardisierte Erzählware nämlich persönlichen Stil, politisches Bewusstsein und kluge Neugierde installiert, als wolle er sagen, dass wir als Individuum ständig in Gefahr sind, vom großen Klischee gefressen zu werden. Auf den Buchtitel übertragen bedeutet es: Das amerikanische Florida-Krokodil ist im Vormarsch und droht das kubanische Krokodil auszurotten.

Frieda erfüllt ihren Auftrag tapfer, indem sie sich als Touristin ausgibt, statt sich als Journalistin registrieren zu lassen. Dadurch erhofft sie sich einen besseren Zugang zum Land, zu seinem Getue um den toten Revolutionär Fidel Castro und zu den Überlebensstrategien der Bevölkerung zu gewinnen.

Tatsächlich kommt sie als Touristin mit einer anderen Bevölkerung in Kontakt, als dies mit dem Journalisten-Visum geschehen wäre. Aber in der Endabrechnung sind es dann doch wieder die gleichen Leute, die offiziell und informell unterwegs sind.

Als Beleg sollte man an dieser Stelle das Personenverzeichnis im Anhang lesen, hier treten in chronologischer Reihenfolge jene Klischee-Typen auf, die es für ein Kuba-Bild braucht. Die Hälfte des Personals scheint im Gefängnis zu sitzen, wobei zwischen dem großen Gefängnis Kuba und dem kleinen auf der Polizeistation nur ein geographischer Unterschied besteht. Die Gefangenen auf der Polizeistation kennen sich wenigstens persönlich, während die im Land Gefangenen einfach in Millionen gezählt werden.

Als interessanteste Stationen erweist sich tatsächlich die Krokodilfarm, auf der sich letztlich eine Tragödie abspielt. Nach Millionen von Jahren wird eine bestimmte Krokodilsorte von einer anderen übernommen. Diese feindliche Übernahme zeigt Globalisierung auf Niveau von Archosauriern.

Eine für Tiroler Patrioten besonders interessante Figur liefert der Karl ab, der als „Tiroler Sextourist“ (30) firmiert und gleich zu Beginn einen Einblick in das Projekt „globaler Tourismus“ gibt. Diese Karikatur eines betrunkenen Tirolers, der in der Karibik seine Hormone stillen lässt, während er zu Hause sein Chalet in Kitzbühel an Arschlöcher vermietet, die das Hahnenkammrennen sehen wollen, warnt vor zu schnellen Schlüssen im Tourismus. In diesem Glücksmetier arbeiten alle mit Scheinbildern, Fake und Flüchtigkeit der Bedürfnisse, im Idealfall laufen diese Zutaten in den Eiern eines Tirolers zusammen, der sein Land schon seit Jahrzehnten ähnlich klug vermarktet hat wie die Kubaner ihre Revolution.

Die Recherche-Reise der Frieda wird zu einem Parforceritt durch zwiespältige Schnappschüsse, die sich nie in die Kategorien Fakts und Fake eintüten lassen. Kuba-Bilder sind immer schizophren wie ihre Bewohner und Besucher.

Franz Kabelkas Kuba-Roman erfährt politisch vielleicht gerade eine unerwartete Aufwertung, als die Post-Plus-Kommunisten in Österreich vermehrten Zulauf erhalten. Und jeder dieser politischen Newcomer hat Kuba auf seiner Reiseagenda, sofern sich diese Reise mit dem klimatischen Fußabdruck noch vereinen lässt.

Kuba ist der letzte Wallfahrtsort für aussterbende Revolutionäre, ein Sinnbild buntfarbiger Überlebenskunst und ein idealer Erzählort, um erlebnisfrigide Journalistinnen, angesoffene Tiroler und Geheimagenten jeglicher Himmelsrichtung auf der Krokodilfarm der Evolution mit sich selbst bekannt zu machen.

Franz Kabelka, Kubanische Krokodile. Roman
Salzburg: Edition Tandem 2023, 352 Seiten, 25,00 €, ISBN 978-3-904068-73-4

 

Weiterführende Links;:
Edition Tandem: Franz Kabelka, Kubanische Krokodile
Wikipedia: Franz Kabelka

 

Helmuth Schönauer, 17-02-2023

Bibliographie

AutorIn

Franz Kabelka

Buchtitel

Kubanische Krokodile

Erscheinungsort

Salzburg

Erscheinungsjahr

2023

Verlag

Edition Tandem

Seitenzahl

352

Preis in EUR

25,00

ISBN

978-3-904068-73-4

Kurzbiographie AutorIn

Franz Kabelka, geb. 1954 in Linz, lebt in Feldkirch.