Heimo Mürzl / Wolfgang Pollanz (Hg.), Zum Fressen gern
Unter dem Emblem eines gelben Kürbisses, der von der Ferne der berühmten Yellow Submarine der Beatles ähnelt, erscheinen in der Steiermark regelmäßig Überlegungen, wie Popkultur, Alltag und Kürbis in Einklang zu bringen seien.
„Zum Fressen gern“ ist die aktuelle Anthologie, die sich naturgemäß mit Tieren beschäftigt, freilich unter dem künstlerisch-grotesken Aspekt von Songs und Stimmungen, die einem beim Füttern, Liebkosen oder Aussetzen von Haustieren durch den Kopf gehen.
Heimo Mürzl und Wolfgang Pollanz haben für diese Tier-Song-Kultur 24 Autorinnen und Autoren eingeladen, die als Aufnahmeprüfung in die Anthologie in der Biographie ihr Verhältnis zu Tieren darstellen mussten. Dabei kommt es zu schönen Aktivitäten und Beziehungen, wenn Vögel die Hauptrolle in einem Theaterstück spielen, ein Tierfreund sich einen Konrad-Lorenz-Bart wachsen lässt, eine Labrador-Dame die eben fertig gewordenen Gedichte frisst, oder jemand mit Tieren kämpft, die sich ungewollt in einen Text geschlichen haben.
Nach so vielen grotesken Zugängen zur Tierwelt ist es kein Wunder, wenn die Texte die biographischen Einträge zu toppen versuchen.
In der Einstimmung verweist Heimo Mürzel auf das Freund-Feind-Muster, das die Tiere oft besetzen müssen. Während man die einen zum Fressen gern hat, werden die anderen für das Fressen geschlachtet. Sein Essay handelt von bösen Wölfen, Problembären, delikaten Froschschenkeln und Gänsestopfleber. Fünfzehn ausgewählte Songs belegen die Vorurteile über diverse Tierarten. Zebras, Affen, Tauben und Büffel wirken gleich doppelt so poetisch, wenn sie auf Englisch besungen werden.
Während sich Wilhelm Hengstler mit Eidechsen herumschlägt, die überall hervorkriechen, wenn man sich am Grab mit Jim Morrison beschäftigt, steht Irene Diwiak vor dem Problem, wie man ein gutes Musikprogramm erstellt, wenn der Hund Mozart heißt.
Bei Franzobel (27) sind alle wesentlichen Tiere im Gehege und erfreuen die Besucher durch ihre tollen Herkunftsgeschichten. Die meisten sollen aus der Tierkei stammen, die restlichen aus Tirol. (27) Ein Erzähler in spezieller Uniform läuft jeden Abend zur Höchstform auf, wenn er das Publikum von den Tieren trennen muss. Er verwendet dabei die österreichische Zauberformel „Wir schließen!“, ehe es ihm gelingt, Ruhe ins Gehege zu bringen. Er wird Nachtwache bei den Tieren halten, die oft über Nacht aussterben.
Bei Helwig Brunner (37) steht ein Forscher vor dem Problem, die vorhandenen Namen den entdeckten Tierarten zuzuordnen. Oft tragen Tiere, die es nicht gibt, Namen, umgekehrt liegen Tiere im Gebüsch, ohne dass es gleich einen passenden Namen gäbe. Erzählt wird von einem Forscher, der in einem Delta ganze Bänder voll Stimmen aufgenommen hat, die er jetzt zu Hause im Labor dechiffrieren muss. Manchmal steigt in ihm Verzweiflung auf, dass Tiere letztlich nur Namen sind.
Dominika Meindl nimmt uns auf Gut Aiderbichl mit, was sofort eine Weihnachtsstimmung auslöst, denn dieser Ort des Gnadenbrots ist streng verknüpft mit Licht ins Dunkel und Stille Nacht. Zwischen der Weihnachtsinszenierung, bei der der Gärtner einen echten Teufel spielt, tauchen alle diese Probleme auf, die beim Tod eines geliebten Tieres entstehen. Wie mache ich einen Tier-Nachruf, gibt es für sie ein Fegefeuer oder bloß den Tier-Limbus?
Austrofred erinnert sich an einen Auftritt, bei dem plötzlich aufdringlich „junge Schwarze“ die Straße säumen und sich an das Auto heranmachen. Aber er wird beruhigt, bei den jungen Schwarzen handelt es sich bloß um progressive ÖVP-Kids, die aufpassen, dass dem Künstler nichts passiert.
Dem Slam-Künstler Markus Köhle sind während einer Tournee zwei Figuren zugelaufen, Pult und Bruno, die fallweise Tierimitationen machen können und vor allem perfekt sind in der Unterscheidung eines Haustiers von einem echten Tier. Manche Tiere muss man einfach ausprobieren und zurückschicken wie eine Online-Bestellung. Es ist höchst selten, dass der Hund auf Anhieb passt. (97)
Wolfgang Pollanz versucht ein Musikinstrument zu kreieren, das von Tieren inspiriert ist. Das Original Katzenklavier wird über ein Manual mit echten Katzentönen gespielt, indem der Tasten-Impuls das Fell berührt und das Tier zum Schnurren oder Miauen bringt.
Andreas Unterweger beendet seine vier Schlussakkord-Gedichte mit einer echten Fabel, die ja als die Oper der Tiere gilt:
„Kleine Fabel // In deinem Haus gebaut aus Katzentritten, / mit seiner Eule, nein, Erle im Innenhof, / die in der Krone rauscht wie Adlerschwingen / und um die Wurzeln zischt wie eine Schlange, / lebe ich selbstbewusst wie eine Maus.“ (132)
Heimo Mürzl / Wolfgang Pollanz (Hg.), Zum Fressen gern. Eine tierische Anthologie
Mit Beiträgen u.a. von Franzobel, Austrofred, Daniel Wisser, Irene Diwiak, Gabriele Kögl, Markus Köhle, Andreas Unterweger. (= Pop! Goes the Pumpkin, Band 8)
Wies: Edition Kürbis 2023, 140 Seiten, 24,00 €, ISBN 978-3-900965-61-7
Weiterführende Links:
Edition Kürbis: Heimo Mürzl / Wolfgang Pollanz (Hg.), Zum Fressen gern
Wikipedia: Wolfgang Pollanz
Helmuth Schönauer, 07-09-202