Yasmina Reza, Adam Haberberg

Buch-CoverDas Thema ist diese leichtfüßige Zeit, wie sie sich vor allem in französischen Romanen darstellen lässt.

In der deutschen Übersetzung kommt diese lucide Zeitwahrnehmung als Präsens daher, aktuell und zeitverzögert erinnert in einem. Auch diese Zeitwörter des Sich-Anschickens, die wir seit Proust so schätzen, sind wieder da: „Adam entledigt sich seines Mantels. Marie-Thérèse geht ihn aufhängen und kommt mit einem Glas Wasser zurück.“ (86)

In so einem Zeitgefühl ist es egal, was passiert. Der Schriftsteller Adam Haberberg sitzt sinnlos im Tiergarten und trauert seinem letzten Roman nach, den er irgendwie verhunzt und in den Sand gesetzt hat. Er ist 47 Jahre alt und der Körper beginnt jäh zu altern. Gerade hat er etwas von einem Schatten im Auge mitbekommen, und jetzt purzeln die schlimmen Wörter für Augenkrankheiten durch den Kopf. Tatsächlich ist der Blick auf das Leben irgendwie verstellt, in einer hypochondrischen Anwandlung gliedert sich die Wahrnehmung in Scheiben zwischen Glaukom, Retina und den sagenhaften Venoruton-Tabletten.

Unvermittelt wie Figuren nur in Romanen auftauchen können, taucht die ehemalige Schulfreundin Marie-Thérèse auf und entführt ihn zu einem Essen und später noch zu sich nach Hause.

Es gibt viel zu bereden und gleichzeitig nichts zu sagen. Ok, die Zeit ist vorbei, irgendwo liegt noch ein alter Brief mit einer Liebesbeschwörung aus ferner Zeit herum, er lässt sich kalt und abgeklärt lesen. Jetzt ist ja die Liebe erloschen und bar jeder Libido verwaltet durch die Ehe. Marie-Thérèse hat sich auf das Beobachten von Haushaltsgeräten spezialisiert. Wenn sie etwa eine neue Waschmaschine bekommt, schaut sie den ersten Waschvorgängen hingerissen zu. So ähnlich verläuft es wohl auch mit der Ehe Adams, ja man kann alles mit allem vergleichen.

Die Gespräche gehen zwischendurch in Handy-Orgien über, am Handy wird ja stets purer Scheiß in Strophenform geredet. Aber diese Handy-Einschübe passen gut in die Gespräche über den Lauf der Zeit, die kleinen Geplänkel zum Alltag oder diese Alterskrankheit ums Auge herum, die sich in ständig neuen Begriffen ins Gesichtsfeld schiebt.

Am Schluss kommt noch etwas Magie ins Spiel, die Freundin bietet eine Zaubernuss an, mit der sich wohl alles zwischen Potenz und Augenlicht heilen lässt. Aber die beste Heilung für einen Mann ist immer noch eine gesunde Automarke, weshalb sich Adam Haberberg am Schluss von einem Taxi Xanthia nach Hause bringen lässt.

Yasmina Reza erzählt leicht und kalt wie ein gelungenes Sorbet, die Augenkrankheit hatten wir schon einmal in dieser morbiden lächerlichen Form bei Christoph Ransmayr als Morbus Kitahara. Die Belanglosigkeit der Begegnung der Helden passt wunderbar zum Tiefgang ihrer leicht abschüssigen Biographien, genau so spielt es sich ab, tausendfach in Frankreich und überall, wenn ein alternder Mann zu seufzen beginnt und seine Jugendliebe trifft, während ihm der erste Seniorenkrampf in den Augapfel schießt.

Yasmina Reza, Adam Haberberg. Roman. A.d.Französ. von Frank Heobert und Hinrich Schmidt-Henkel.
München: Hanser 2005. 152 Seiten. EUR 15,90. ISBN 3-446-20575-6.

 

Helmuth Schönauer, 07-06-2005

Bibliographie

AutorIn

Yasmina Reza

Buchtitel

Adam Haberberg

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Hanser

Übersetzung

Frank Heobert / Hinrich Schmidt-Henkel

Seitenzahl

152

Preis in EUR

EUR 15,90

ISBN

3-446-20575-6

Kurzbiographie AutorIn

Yasmina Reza, geb. 1957 in Paris (Mutter Ungarin, Vater aus Sarmakand), lebt als Schauspielerin, Musikerin und Autorin in Paris.