Susanne Schaber, Im Stein
Zu Beginn steht so etwas wie die Schöpfungsgeschichte der Alpen, sie sind tatsächlich steinalt und Zeit spielt bei ihnen keine Rolle. "Dein Jahrhundert ist meine Sekunde" (11) heißt es ehrfurchtsvoll bei Cees Nooteboom, der vor einer Felswand in die Knie geht.
Gletscher und Erdpyramiden haben gemeinsam, dass sie zwar wie ewig ausschauen, in Wirklichkeit aber höchst fragile und komplexe Gebilde sind. Für die Schicht von einem Zentimeter Eis braucht es übrigens 80 cm Neuschnee.
Die Essays sind ein anregender Mix aus literarischer Einstimmung, notwendigem Fachwissen und offenem Ende: Wer mit Steinen zu tun hat, wird immer an das Sprichwort erinnert, Wasser ist härter als Stein, also die Zeit ist immer obenauf bei jedem Text.
An manchen Stellen des Landes wird das Gebirge aufgerissen und pur genützt, etwa bei den Steinölbrennern im Bächental oder im großen Diabas-Steinbruch in Oberndorf bei Kitzbühel, an anderen Stellen kriegt es religiösen Touch, wenn man Gipfelkreuze drauf stellt und manchmal kritzeln Bergsteiger etwas ins Gipfelbuch. Die Engländer haben einst für diesen Zweck die Flaschenpost auf die Berge geschafft, aber man stelle sich vor, die Gipfelbücher wären alle aus Flaschen!
An einer gefährlichen Stelle des Buches blickt der Landesgeologe in die Höhe und tut den Seufzer, wenn die Leute unten auf der Straße wüssten, wie es oben in den Steinhängen zugeht! (103)
Die grandiosen Fels-, Gipfel- Stollen- und Gesteinsbilder Christoph Linggs vermitteln jeweils mit einem Bild jene ehrfurchtsvolle Stimmung, worin sich dann die Texte Susanne Schabers entfalten können. In der Mitte des Buches ist überhaupt ein Bogen mit Bildern eingefügt, ganz im Innern des Steins braucht es wirklich keinen Text mehr.
"Im Stein" ist ein anregendes, beinahe patriotisch-petriges Buch. Immerhin leben die Menschen in Tirol mit der Illusion eines Händedruckes wie ein Stein und nennen ihre Gesinnung gerne "felsafescht".
Susanne Schaber: Im Stein. Berg- und Felslandschaften in Tirol. Fotos von Christoph Lingg.
Wien: Picus 2005. 144 Seiten. EUR 24,90. ISBN 3-85452-494-3.
Helmuth Schönauer, 08-10-2005