Bosko Tomasevic, Celan trifft H und C in Todtnauberg

Buch-CoverManchmal wird ein Ort veredelt durch die Anwesenheit eines Genies, manchmal wird dieser Ort auch zu einem Synonym für das beherbergte Genie. Bei Todtnauberg handelt es sich um einen solchen Wallfahrtsort der Philosophie. Kein Geringerer als Mister Martin Heidegger hat in diesem Schwarzwald-Ort seine Blockhütte aufgestellt und der Welt das Sinnieren über das Wesen, Ent-Wesen und Ver-Wesen beigebracht.

Der Autor Bosko Tomasevic siedelt seine Gedichte im Umfeld dieses mythischen Ortes an, schickt Sehnsüchte nach Todtnauberg, lässt lyrische Figuren aus mehreren Zeiten zueinander sprechen und errichtet so einen Gedächtnisschrein, auf dem die heftigsten Dichter wie Friedrich Hölderlin, Paul Celan oder René Char ihre lyrischen Devotionalien ablegen. Auch Georg Trakl wispert aus dem Lanser Moor bei Innsbruck eine Zeile in Richtung Westen.

In den Gedichten kommen die zentralen Begriffe der jeweiligen Autoren zum Anklingen. Sprache, Brunnen, Zeit, Vergänglichkeit sind solche Schlüsselwörter, die beinahe ?wortlos? den Zugang zu den Dichtern ermöglichen. Der Leser erahnt einerseits die Originaltexte oder kriegt spontan Lust, diese aus dem Regal zu holen, andererseits lässt er sich gerne von Bosko Tomasevic führen und durch die Themen treiben, zumal der Autor eine feine Form findet, die zwischen Anregung und Andeutung genug Platz für den Leser lässt.

Lyrik an und für sich ist oft so hell und heftig, dass sie wie ein explosives Gas ständig mit Zeremonien und Darbietungskulten in Gewahrsam gehalten werden muss. So ist es ein raffinierter Schachzug, der Lyrik halbwegs habhaft zu werden, indem man sie in Todtnauberg zu einem zeitlosen Erkenntis-Happening installiert. Die stille Hauptperson dieser Installation ist freilich der Autor, der unauffällig Weltlyrik komponiert, sie den Protagonisten zuschreibt und dabei ein originäres Werk schafft.

Bosko Tomasevic ist nicht nur Lyriker, dessen serbische Texte in diesem Band subtil und genau vom Innsbrucker Slawisten Helmut Weinberger übersetzt worden sind, auch er selbst ist so etwas wie lebende Lyrik. Gerade ist er das 43-ste Mal umgezogen, erzählt er, als ob der ständige Umzug die Vorraussetzung für mobile Gedankenwelten wäre. Und seine Zeit als Innsbrucker Stadtschreiber ist den Kennern unvergessen, er war nämlich der erste Stadtschreiber Innsbrucks, der vor der Bevölkerung versteckt worden ist. Bosko Tomasevic trägt auch das mit Fassung, als ob es ein Teil seiner Lyrik wäre.

Bosko Tomasevic, Celan trifft H. und C. in Todtnauberg. Gedichte. A. d. Serb. von Helmut Weinberger.
Berlin: Verlag Das Arsenal 2005. 56 Seiten. EUR 12,80. ISBN 3-931109-35-6.

 

Weiterführende Links:
Lesen in Tirol: Bosko Tomasevic - Ein literarisches Leben zwischen den Welten
Wikipedia: Bosko Tomasevic

 

Helmuth Schönauer, 19-04-2006

Bibliographie

AutorIn

Bosko Tomasevic

Buchtitel

Celan trifft H und C in Todtnauberg

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Das Arsenal

Übersetzung

Helmut Weinberger.

Seitenzahl

56

Preis in EUR

EUR 12,80

ISBN

3-931109-35-6

Kurzbiographie AutorIn

Bosko Tomasevic, geb. 1947 in Becej der Vojwodina, 1999 erster Stadtschreiber in Innsbruck, lebt in Innsbruck.