Manfred Wieninger, Kalte Monde

Buch-CoverDie Steigerung von Provinz ist österreichische Provinz. Harland ist ein diffuses urbanoides Nest, über dem sogar die Monde erkalten, während sie auf das irdische Desaster glotzen. Marek Miert schlägt sich als derangierter Privatdetektiv durch, manchmal wird er wegen seiner Diskontpreise zu einem Auftrag geholt.

Das soziale Gefüge ist sehr streng am flachen Land, der heruntergekommene Detektiv muss seine Auftraggeber in deren Büros aufsuchen, weil er selbst sich keine Kanzlei leisten kann. Der ekligste Name, den man sich denken kann ist Heider. Marek Miert kotzt beinahe, als ihn die Visitenkarte erreicht: Horst Heider, Parlamentarischer Mitarbeiter.

In einem Land voller Schaumrollen ist naturgemäß auch der Abschaum stets gesüßt mit politischen Intrigen und Abreibungen. Ein Abgeordneter hat sich so lange von allen Parteien abgespalten, bis er nun einen Detektiv braucht, um die nötigen Grundinformationen auszukundschaften. Noch ehe es sich Mister Miert überlegt, ist er schon eingekesselt von rechtsradikaler Bürgerwehr, Ausländerhass und Racheakten aus dem Polizeiapparat.

Ein Privatdetektiv in der Provinz, muss man wissen, arbeitet nicht die Fälle hintereinander ab, sondern wird von diesen in synchronen Strudeln nach unten gerissen.

Marek Miert sucht also für ein Muatterl eine entlaufene Katze, beschattet Informanten für einen korrupten Politiker, wird auf der Jagd beinahe erschossen und kommt schließlich noch bei einem Massaker zupass, das einer imaginären Tschetschenenbande zugeschrieben wird.

Für die Aufklärung dieser Aufgabenstellungen hält sich Miert an die österreichischen Grundregeln. Wenn Ausländer verdächtigt werden, stecken immer Inländer dahinter, und was du nicht im Nachlaufen lösen kannst, musst du durch laufen lassen klären.

So wird dann doch noch alles geklärt, aber die Welt an der Peripherie wird dadurch um nichts klarer. Im Gegenteil, manches wird falsch, während es beschrieben wird. So behauptet jemand tatsächlich, die Mariazellerbahn sei nicht elektrifiziert (135).

Manfred Wieninger hat einen hinreißenden Provinzroman geschrieben, der sich mit fahrlässig bösen und grottenschlechten Menschen herumschlagen muss. Die Figuren sind so abgefackt, dass man sich als Leser schon wieder mit ihnen solidarisiert. Aus allen Ecken springt einen die jüngere Zeitgeschichte an, unter der Schneedecke der Hinterhöfe, auf den brüchigen Hochständen der Jägerei und unter den Abbruchhäusern einstiger Idyllen kriecht es erbarmungslos heraus „das Fette, an dem ich würge“, möchte man mit Peter Handke sagen.

So also ist Österreich in jenen wahren Beiträgen, die in keiner Sendung vorkommen. Irgendwie erinnert alles an den perversen Kosmos von Manfred Deix, nur dass das Licht abgedreht ist und die kalten Monde an der Eisdecke der Nacht kratzen. Marek Miert ist wahrlich ein mondkalter Star in der muffigen Provinz!

Manfred Wieninger, Kalte Monde. Ein Marek-Miert-Krimi.
Innsbruck: Haymon 2006. 235 Seiten. EUR 18,90. ISBN ISBN 978-3-85218-514-9

 

Weiterführende Links:
Haymon-Verlag: Manfred Wieninger, Kalte Monde
Wikipedia: Manfred Wieininger

 

Helmuth Schönauer, 25-09-2006

Bibliographie

AutorIn

Manfred Wieninger

Buchtitel

Kalte Monde

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Haymon

Reihe

Marek-Miert-Krimi

Seitenzahl

235

Preis in EUR

EUR 18,90

ISBN

978-3-85218-514-9

Kurzbiographie AutorIn

Manfred Wieninger, geb. 1963 in St. Pölten, lebt in St. Pölten.