Günther Loewit, Krippler

Buch-CoverLandpfarrer sind aus der Literatur nicht wegzudenken. In Vorabendserien tummeln sie sich als exotische Hochwürden über den Screen, im Unterhaltungsregal schmachten sie als Dornenvögel dahin, und im gestandenen Nachkriegsroman versuchen sie sich selbst, die Leser und das Abendland zu retten.

Bei Günther Loewit heißt der Landpfarre schlicht „Krippler“, das ist wohl eine volkstümliche Bezeichnung für jemanden, der mit der Krippe herumhantiert. Mit etwas schräger Hörlage hört man freilich auch einen Krüppel heraus und dankt dabei an eine feste Kartoffelsorte, die Kipfler genannt wird.

Josef Krippler ist Landpfarrer, das heißt, er ist genau genommen auf der Flucht. Einst nämlich hat er es im Umgang mit der Geliebten Johanna Hofinger sexuell nicht mehr hingekriegt und hat deshalb die Kirche vorgeschoben, in ihrem Kuttenmantel ist er dann ins Priesteramt verschwunden. Jetzt biegt er sein Leben voller Zeremonien mehr oder weniger steif herunter, beim Begräbnis denkt er ans Jenseits, bei der Sonntagspredigt an die Moral und beim Spazierengehen an den Sinn des Lebens.

Dramatisch wird ab und zu das Abhören einer Beichte, wenn darin ein Kriminalfall verpackt ist. So soll ein bekannter Säufer gar nicht in der Badewanne ersoffen sondern von seiner Frau ertränkt worden sein. Als diese beichtet, gibt ihr Krippler zur Buße einen erotischen Dauerbefehl: sie muss zu jeder Zeit bereit sein, in den Pfarrhof zu kommen. Diese Buße schafft Macht, Erleichterung und sexuellen Genuss.

Aber die Vergangenheit schläft nicht, zumal in der Erotik nicht. So kommt eines Tages der Doktor zum Pfarrer und bringt als Medikament sein eigenes Eheaufgebot mit. Offensichtlich ahnt er die geheimen Lüste Kripplers.

Kein Tag in einem Kirchenjahr vermochte ihn so zu erregen wie die Anmeldung eines neuen Brautpaares. (93)

Und diese Braut ist keine andere als die ehemalige Geliebte Johanna Hofinger.

Jetzt geht es aber rund im Hormonhaushalt des Pfarrers, nach außen hin laufen die Gespräche unter dem Blickwinkel „kennen wir uns nicht von früher?“, nach innen brodelt es dramaturgisch einwandfrei. Die Geschichte geht aus wie eine Erzählung Adalbert Stifters. Jenseits aller Lüste steht der Tod. Die Frau stirbt, Witwer und Pfarrer betrauern die ehemals gemeinsame Geliebte.

Die Stärke des Romans liegt nicht so sehr im Schicksal Kripplers, da wäre wohl ein Münzsammler, dem seine Sammlung oxidiert, explosiver. Der Reiz des Romans liegt in seiner überkonventionellen Dramaturgie. Landpfarrer flüchtet aus dem Leben und trifft am Land auf Lebensrituale, die ebenfalls nicht mehr ganz von dieser Welt sind.

Romantik, Gottessehnsucht und theologisches How-to-do sind gute Möglichkeiten, sich die Welt hinter dem Alltag metaphysisch zu erschließen.

Günther Loewit: Krippler. Roman.
Innsbruck: Skarabaeus 2006. 164 Seiten. 19,90 € ISBN 978-3-7082-3203-4

 

Weiterführende Links:
Skarabäus-Verlag: Günther Loewit, Krippler
Wikipedia: Günter Loewit

 

Helmuth Schönauer, 28-09-2006

Bibliographie

AutorIn

Günther Loewit

Buchtitel

Krippler

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Skarabaeus

Seitenzahl

164

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-7082-3203-4

Kurzbiographie AutorIn

Günther Loewit, geb. 1958 in Innsbruck, lebt als Arzt und Schriftsteller in Marchegg.