Michael Glawogger, Working Man's Death

Buch-CoverWarnung: Arbeit kann zu Ihrem Tod führen! – Dieses Schild steht natürlich nirgends, aber es müsste an vielen Schauplätzen der Arbeit angebracht sein.

Michael Glawogger zeigt in seinem Film ein paar groteske Höhepunkte vernichtender Arbeit. Ein Schlachthof unter freiem Himmel in Nigeria, eine Demontage-Werft in Pakistan, eine aufgelassene Mine in der Ukraine, Phosphoradern auf den Philippinen und Stahlwerke vollautomatisiert und als Erinnerungsgarten für die Kids.

Zu diesem aufwühlenden Film ist ein Begleitbuch erschienen, das politische und künstlerische Fragen stellt. Kunst und Politik gehen dabei eine Verschmelzung ein, es lässt sich nämlich keine unpolitische Kunst machen, und Politik unterliegt oft den Gesetzmäßigkeiten der Kunst.

Bildstreifen dokumentieren die Arbeit für den Film und hinter dem Film, Interviews mit den Betroffenen münden oft in ein paar Sätze der Melancholie. Vielleicht macht es die Gestalt des Buches aus, eingeklemmt zwischen Fotos werden Statements zu überrealistischen Gedichten.

Die Schlafräume der Arbeiter am Schwefelberg sind kaum größer als ein Bett selbst, aber es gibt alles, was es in einer Wohnung geben muss: eine Matte, Matratze oder ein Stück Karton, einen Plastik- oder Jutesack als Decke, Regale aus Holzbrettern, einen Teller, eine Gabel, manchmal auch einen Kochtopf und eine Lampe in Form einer aus Plastikflaschen gebastelten Fackel – angefüllt mit Kerosin taucht sie die paar Quadratmeter in ein fast malerisch-heimeliges Licht. Das erinnert an Filme über das Leben der Wikinger und an andere archaische Darstellungen. (47)

Michael Glawogger schafft mit diesem Filmbegleitbuch eine Kunstform, die am Ende den Film nur mehr als Zitat notwendig macht. Die Erzählmethode ist vielleicht ähnlich poetisch wie in Wolf Haas Roman „Das Wetter vor 15 Jahren“. Das heißt, etwas wird in der Vorstellung erst richtig greifbar, indem es ständig zitiert wird und dadurch der realistischen Wahrnehmung entrückt.

Bei Michael Glawogger wird die unerträgliche Arbeit zuerst durch einen Film fixiert und dann durch die Beschwörungsformeln des Buches in ein erträgliches Maß gebannt. Zwischen den Beschreibungen, Zitaten, Lichtverhältnissen und Klüften der jeweiligen Location tut sich eine Paste aus Optimismus und Überlebenswillen auf. Die Welt hat uns voll im Griff und ist grausam, aber wir können ihr vielleicht in semiletalen Dosen entkommen, wenn wir eine Zaubersprache des Entkommens finden. Und Michael Glawogger hat diese Zaubersprache.

Michael Glawogger, Working Man’s Death. Bilder & Texte zur Arbeit im 21. Jahrhundert.
Wien: Mandelbaum 2006. 260 Seiten. EUR 24,80. ISBN 978-3-85476-186-0

 

Weiterführende Links:
Mandelbaum-Verlag: Michael Glawogger, Working Man’s Death
Wikipedia: Michael Glawogger

 

Helmuth Schönauer, 13-10-2006

Bibliographie

AutorIn

Michael Glawogger

Buchtitel

Working Man's Death

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Mandelbaum

Seitenzahl

260

Preis in EUR

24,80

ISBN

978-3-85476-186-0

Kurzbiographie AutorIn

Michael Glawogger, geb. 1959 in Graz, lebt in Wien.