Thomas Schafferer, digitally remastered

Der Fachausdruck „digitally remastered“ führt bei Fans immer zu voll gespeicheltem Mund und feuchten Augen, bedeutet er doch in der Musikszene, dass längst verschollene Musikstücke, die sich nur noch als gerumpeltes Geräusch abspielen lassen, plötzlich in hoher Qualität und völliger Frische wieder zugänglich sind.

Thomas Schafferer hat jetzt für seinem Gedichtband alles remastered, was bis er bisher an Untergrundlyrik verfasst hat, und wie Moses einst mit zehn Geboten aus dem Nebel aufgetaucht ist, taucht der Autor hier mit seinen zehn ersten Gedichtbänden als strahlender Poet auf.

Die Gedichte Thomas Schafferers entstehen immer aus dem Bauch des Alltags heraus, sie sind also immer ganz knapp an einer scheinbar gewöhnlichen Situation dran, kippen dann aber ins Ungewöhnliche und kommen jeweils als lyrisches Gebilde auf dem Papier zu liegen.

So scharen sich die Texte gerne um ein einzelnes Ereignis herum und führen dieses in einen verdichteten Erlebnisstatus, manchmal entstehen ganze Zyklen oder auch Gedichtbände aus einem einzelnen Un-Ereignis wie es etwa die Matura ist oder der Militärdienst.

Dann wiederum setzt sich das lyrische Ich quasi von sich selbst ab und tritt eine Reise an, die scheinbar nur den einen Sinn hat, dem Zielpunkt einen neuen Namen zu verpassen.

Die Gedichtzyklen heißen dann etwa: Mathema-Tick, Kehrseiten, Meeresland, die ersten Fünfundneunziger oder einfach Zak!

Nach der Matura etwa ist dem lyrischen Ich der Druck mit einer Geschwindigkeit aus dem Hirn entwichen, dass offensichtlich gleich die gesamte Identität aus dem Körper gepfiffen ist, irgendwohin in den nächstliegenden Weltraum.

Während der Reisen wird das Ich unruhig, weil ihm das vertraute Pendant abhanden gekommen ist, es sehnt sich im Flugzeug über dem Kontinent plötzlich nach Liebe, Körper, oder auch nur nach Wörtern, welche diese Liebe verströmen.

„ich war ein einzelgänger, bis ich meinen doppelgänger traf“ (89). Immer wieder tauchen scheinbar leichte Wortspiele aus den Zeilen auf und reißen mit ihrem Doppelsinn den kommentierenden Lyriker in unerwartete Untiefen, plötzlich schlägt der Wortsinn zurück und kippt das lyrische Gebilde.

Thomas Schafferers Lyrik umschwärmt jeweils auch jenen Augenblick, an dem sie entsteht. Aus diesem Grund gibt es zu seinen Gedichten stets auch ein Entstehungsverzeichnis, jede einzelne Zeile ist fixiert, wo und wann sie genau entstanden ist. Dabei ergibt der Wechsel aus großen Orten des Reisens, wie etwa Verona oder Rapallo, und fuzzigen Winkeln, wie Pfons oder Speckbacher Kaserne, einen schroffen Ausschlag auf der Skala der Lieblichkeit der Orte Die Loci amoeni werden dadurch zu Abschussrampen, in denen die Gedichte gezündet werden.

Thomas Schafferer, digitally remastered. Die ersten 10 Gedichtbände.
Innsbruck: pyjamaguerilleros 2006. 190 Seiten. EUR 15,90. ISBN 3-9501923-4-4.

 

Weiterführender Link:
Homepage: Thomas Schafferer
 

Helmuth Schönauer, 15-11-2006

Bibliographie

AutorIn

Thomas Schafferer

Buchtitel

digitally remastered. Die ersten 10 Gedichtbände

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

pyjamaguerilleros

Seitenzahl

190

Preis in EUR

15,90

ISBN

3-9501923-4-4

Kurzbiographie AutorIn

Thomas Schafferer, geb. 1973 in Innsbruck, lebt in Pfons.