Martin Kolozs, Mon amie

Buch-CoverWas der Schäferroman für das Barock ist, ist der Kriminalroman für die Gegenwart. In beiden Fällen soll nach vorgegebenen Erzählritualen atemlose Spannung zeitgemäß aus den Seiten knistern.

Für jeden Autor stellt die erzählte Kriminalkunst die höchste Herausforderung dar. Der junge Schriftsteller Martin Kolozs hat sich zum Eintritt in seine aktive Erzähllaufbahn gleich auf zwei Kriminalerzählungen gestürzt und auf allen Linien gewonnen.

In der Mördergeschichte „Mon amie“ dürfen wir in das Innere eines kaputten Hirns blicken, Herr Schwind ist nach außen hin so was von unauffällig und gewöhnlich, dass es sich kaum beschreiben lässt. Er geht tagelang unauffällig Frauen nach, um sie zu beschützen. Sein Leitmotiv heißt „Liebe braucht Dienste!“ Wer in die Gunst seiner zweifelhaften Liebe kommt, ist fällig und kann sich nicht dagegen wehren. Aber zwischendrin regt sich so etwas wie Besitzerstolz, Eifersucht oder auch Übermut an Zuneigung. Mit einem Messer lassen sich diese Liebesdienste still und geräuschlos ausführen, eigentlich ist es selbstverständlich, dass man eine Frau, die man liebt, umbringt.

Uns Lesern stockt mit jedem Schritt das Herz, während unsere Figur Witterung aufnimmt und die Frau auf der anderen Straßenseite absticht. Stumm und starr wollen wir das Opfer warnen, aber wir haben nur den Mörder als unseren Informationsträger, und der tickt nicht richtig. Einen Mord zu verhindern ist bekanntlich unendlich schwerer, als ihn zu begehen. So nimmt der Schrecken seinen Lauf und wird umso unheimlicher, je gewöhnlicher sich alles abspielt. – Suspense pur!

In der zweiten Erzählung „Müttersterben“ hat der Mörder bereits seine Mutter umgebracht, als wir zusammen mit Polizei und Gerichtsmedizin am Tatort eintreffen. Opfer und Täter werden uns Lesern zugespült, wir können nicht wegschauen und müssen sofort den Fall aufnehmen. In mehreren Stufen eines sich selbst nachjustierenden Protokolls erfahren wir allerhand über die Psyche des Mörders, alles ist logisch, Mutter hat offensichtlich zu stark an der Erziehungsschraube gedreht und ihrem Sohn gleich jedes Rechtsempfinden abgedreht. Ein Erziehungsfall mit tödlichem Ausgang, könnte man zusammenfassen, denn so wie der Mörder seine Sachlage schildert, hat er womöglich gar nicht anders handeln können. Ok, wir Leser dürften nicht zum Mörder halten, aber wenn er es so gut erklären kann?

Martin Kolozs erzählt aufregend kalt und unscheinbar, die Figuren sind mit ein paar Strichen zusammengemodelt und dennoch plastisch und ausgereift. Die Stimmung ist schneidend logisch, die Sachverhalte werden immer kürzer, alles, was Barock ist, ist ausgespart – der reinste Schäferroman des Schreckens, könnte man sagen. Die Zeremonie des Erzählens hat sich längst verselbständigt und uns unter ihre gruselige Tuchent gesteckt. - Phantastisch!

Martin Kolozs, Mon amie. Kriminalerzählungen.
Innsbruck: Skarabaeus 2006. 63 Seiten. EUR 9,90. ISBN 978-3-7082-3213-3

 

Weiterführende Links:
Skarabaeus-Verlag: Martin Kolozs, Mon amie
Wikipedia: Martin Kolozs

 

Helmuth Schönauer, 13-11-2006

Bibliographie

AutorIn

Martin Kolozs

Buchtitel

Mon amie

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Skarabaeus

Seitenzahl

63

Preis in EUR

9,90

ISBN

978-3-7082-3213-3

Kurzbiographie AutorIn

Martin Kolozs, geb. 1978 in Graz, lebt in Innsbruck.