gerhard rühm, epigramme und EpitapheÄhnlich den Beatles gilt auch der Wiener Gruppe seit beinahe siebzig Jahren die kollektive Aufmerksamkeit der Fans, dabei kommen die einzelnen Mitglieder auf den ersten Blick etwas zu kurz.

Gerhard Rühm ist das letzte noch lebende Fünftel der Wiener Gruppe, die vorerst als germanistisches Kunstprodukt gehandelt wird, haben doch die Mitglieder Friedrich Achleitner, H. C. Artmann, Konrad Bayer, Oswald Wiener und eben der Autor der Epigramme und Epitaphe nur losen Kontakt. Spötter sagen, die Germanisten hätten die fünf erst miteinander bekannt gemacht, damit sie das auf die Bühne brächten, was die Dichter-Macher von ihnen verlangten.

jan gerber, die untiefen des postkolonialismus„Auch wenn solche antisemitischen und plumpen Angriffe auf die Singularität des Holocaust mittlerweile nicht mehr ganz so offen vorgetragen werden, hat in den vergangenen Jahren mit dem Siegeszug der Postkolonialen Studien eine weiche, aber nicht weniger problematische Form der Relativierung an den Universitäten und in den Feuilletons Einzug erhalten. Vertreter des Postkolonialismus sehen zwischen den Gräueltaten des deutschen bzw. europäischen Kolonialismus höchstens noch graduelle Unterschiede zum Holocaust und zeichnen eine fast direkte Linie von kolonialen Verbrechen nach Auschwitz.“ (S. 14)

Wurde in der Vergangenheit die Einmaligkeit des Holocaust vor allem von rechten politischen Gruppen relativiert so kommen in der Gegenwart immer häufiger Standpunkte zur Sprache, die den Holocaust als Folge des europäischen Kolonialismus betrachten, der sich nur im Detail von den kolonialen Gräueltaten unterscheidet. Zahlreiche renommierte Autorinnen und Autoren setzen sich in ihren Beiträgen kritisch mit den Ansätzen der Postkolonialen Studien zum Holocaust auseinander.

cornelia hermanns, chinas strategen„Die chinesischen Kommunisten haben die Formel geprägt: Der Sozialismus chinesischer Prägung. Auf den folgenden Seiten soll der Sozialismus chinesischer Prägung für Nichtchinesen verständlich werden, China und sein origineller Kommunismus für Anfänger sozusagen, für Leserinnen und Leser, die nicht sinologisch vorgebildet sein müssen.“ (S. 9)

War die Volksrepublik China mit seinen 1,4 Milliarden Einwohner 1949 bei ihrer Gründung noch eines der ärmsten Länder der Welt, hat sich das Land seit den 1980-er Jahren sukzessive an seiner Industrialisierung und Modernisierung gearbeitet. Heute setzt China an die USA als führende Wirtschaftsmacht abzulösen. Ein guter Grund die Herrschaftsstrukturen und führenden Politiker des Landes seit seiner Gründung näher zu beleuchten.

silvia ferrara, die große erfindung„Dieses Buch handelt weder von der griechischen Antike noch vom Alphabet, und es auch kein historischer Essay, sondern gewissermaßen eine Erzählung, die von einer Erfindung handelt: von der größten der Welt. Gewissermaßen, weil sie zwar einen Anfang hat und von einer abenteuerlichen Reise um die Welt handelt, ihr Ende aber erst noch geschrieben werden muss.“ (S. 9)

Silvia Ferrara betrachtet die Schrift als Manifestation des menschlichen Bedürfnisses zu kommunizieren, unsere Existenz „auf einem fest Grund zu verankern“ und unsere Bewusstsein die Zeiten überdauern zu lassen. Als Helden steht dabei der Menschen selbst im Mittelpunkt, mit seiner Fähigkeit mit dem Leben zu interagieren und zu kommunizieren. In der Schrift tritt uns eine ganze Welt entgegen, die es zu entdecken gilt und durch die wir die Erscheinungen der Welt filtern.

raimund bahr, selbst die vögel fliegen nicht in den südenJahreszahlen auf Buchcovern lösen im Lesegedächtnis unverschlüsselte Reaktionen aus. Wenn die seltsame Zahl 2020 aufblitzt, erweckt sie ähnlich wie seinerzeit 1914 ein mulmiges Gefühl, geht es doch bei beiden Jahren um große Katastrophen.

Raimund Bahr hat das pandemische Jahr mit einem trockenen Satz überschrieben: „Selbst die Vögel fliegen nicht mehr in den Süden.“ Die evozierten Vögel tauchen normalerweise in jeder Gedichtsammlung auf, um durch die Konnotationen Flug, Bewegung, Nest und Gesang das Wesen der Lyrik zum Klingen zu bringen. Die Zeit wird dabei zum Vogel, der nach gelungenem Nestbau in den Süden fliegt, um der Wärme zu folgen. Jetzt freilich sind die Vögel entweder schon ausgestorben und durch Drohnen ersetzt, oder aber sie sind im Lockdown und vergessen auf das Fortfliegen.

ronald weinberger, und sie lügen dochWenn es um die Wahrheit geht, können Handbücher durchaus dünn ausfallen. Im Gegenteil, je umfangreicher die Absätze bei der Darstellung einer vermeintlichen Wahrheit ausfallen, umso verdächtiger erscheinen sie jemandem, der vielleicht Ludwig Wittgensteins Tractat vor Augen hat und liest: „Die Welt ist alles, was der Fall ist.“

Ronald Weinberger geht mit seinem „Sternen-Tractatus“ ähnlich kurz angebunden vor. „Astrologie erfüllt nicht die Normen, die an eine „Wissenschaft gestellt werden“ (5 ). Und als ehemaliger professioneller und noch dazu auf (vor allem „sterbende“) Sterne spezialisiert gewesener Astronom fügt er hinzu: „Mit Schindluder meine ich Horoskope. Allgemeiner ausgedrückt: die Astrologie.“

eske schlüters, alles kann ein bild von allem seinEine Dissertation ist eine Textsorte, über die schon einmal Rechtschreib-, Gender- und Plagiatsprogramme drübergelaufen sind. In einer barrierefreien Uni kann mittlerweile jeder eine Dissertation abliefern, wenn es nicht klappt, liegt es am akademischen Personal, aber nicht an der einreichenden Person.

Diese in der Öffentlichkeit weitverbreitete Einschätzung soll vor allem eines ausdrücken: wissenschaftliche Texte sind Blasentexte. Verlassen sie ihr Biotop, gelten sie bald einmal als unlesbar.

joze javorsek, primoz trubarDamit sich ein Staat gegenüber anderen Staaten legitimieren kann, braucht er neben Fahnen, Verfassung, Verteidigung und Währung auch den Nachweis, dass er lesen und schreiben kann. Ursprünglich mussten nur Kirchenleute und Kriegsherrn nachweisen, dass sie zumindest Urkunden lesen können, in demokratisch organisierten Gebilden ist es unumgänglich, dass es auch eine Literatur gibt, die aus dem Volk für das Volk gemacht wird.

Wie dringend dieser Nachweis für einen neuen Staat ist, merkt man beispielsweise bei den Nachfolgestaaten Jugoslawiens. Zwar brodelte es als Nationalismus schon länger im Vielvölkerstaat, aber für die Unabhängigkeit war immer der Nachweis einer eigenen literarischen Identität vonnöten.

alfred noll, alles was geschieht, geschieht mit recht„Wenn es etwas gibt, das uns als Zeitgenossen verbindet, dann ist es die fast feindlich gesonnene Abstinenz von allem, was nach Recht und Gesetz aussieht. Die Reste der res publica leiden an unter einer ubiquitären Rechtsphobie. Je mehr der Gesetze, desto weniger wollen wir davon wissen …“ (S. 7)

Alfred Noll bietet in seinem Sachbuch zum Thema „Recht“ ein kompaktes Panoptikum zu den zentralen Fragen einer Gesellschaft wie das Recht auf Eigentum, Sicherheit, zur Justiz oder den rechtlichen Dimensionen einer Revolution.

hubertus buchstein, demoktratietheorien„Häufig existieren utopische und idealisierte Vorstellungen von Demokratie und überzogenen Erwartungen und Anforderungen bezüglich der Leistungsfähigkeit eines demokratischen Systems, die sich weit von der Realität entfernt haben und vor denen die alltägliche Praxis demokratischer Wirklichkeit unscheinbar, wenn nicht sogar abstoßend wirkt.“ (S. 12)

Um die Demokratie der Gegenwart besser zu verstehen ist es wichtig, sich ihre Entwicklungsschritte im Laufe der Geschichte näher zu betrachten. Das Sachbuch „Demokratietheorien“ bietet dazu mit ausgewählten Quellentexten und erläuternden Interpretationen eine Einführung in die Demokratietheorien und Theorien zur Demokratie von der Antike bis in die Gegenwart.