Ähnlich der Programmmusik gibt es auch eine Programmlyrik, worin ein bestimmtes Gedankensystem lyrisch verknotet werden soll.

Bosko Tomasevic legt als Philosoph und Lyriker ausdrücklich Wert auf diese Verknüpfung. Im Nachwort zu dem Lyrikband „Risse“ distanziert er sich von früheren Werken und zählt dann seine diversen Schreibjahrzehnte auf, in denen er sich als lyrischer Kompositeur programmatisch vor allem Heidegger, Beckett oder Celan genähert hat. Die literarische Vorgangsweise bezeichnet der Autor als „Dichtung der Erfahrung“, womit das Aufzeigen gewisser Begleitumstände der Existenz gemeint sei. (130)

Hat das Leben einen Plan, wenn es aus fröhlichen Kindern ernst abgerackerte Erwachsene macht, oder ist auch das Leben ein Spiel wie das der Kinder im Innenhof?

Horst Moser führt in seinem Roman „Etwas bleibt immer“ ein paar Figuren zusammen, die einst einmal glücklich und ungeniert ihre Kinderzeit im Innenhof einer Wohnanlage verbracht und sich später aus dem Auge verloren haben. Damit die arme Leser-Seele eine Ruhe gibt, setzt er eine Art lose Krimi-Handlung über seinen wirklichen Fall, in welchem es darum geht, wie wir uns alle immer weiter auseinander entwickeln und dabei schrullig und ausgebeult werden.

Was der Bestsellerautor Christopher Clark mit seinen „Schlafwandlern“ über den Ersten Weltkrieg ist, ist „Der Forcher“ für Tirol mit seiner bewegenden Darstellung des Weltkrieges aus Tiroler Sicht.

Michael Forscher ist leidenschaftlicher Historiker genug, damit er weiß, dass sich nicht erzählbare Dinge nur darstellen lassen, wenn man sie quasi wie dokumentierte Rollen sich selbst erzählen lässt. Der Autor bereitet dabei die Quellen aus und ist gerecht, indem er alle zu Wort kommen lässt. Und so kommt heraus, dass alle bis hinauf zum Feldherren Conrad fassungslos den Geschehnissen gegenüber stehen. Bloß kann der Oberste diesen Sprung im Kopf überwinden, indem er einfach selbst noch seine Biographie nach dem Krieg zurecht biegt.

Vorurteile sind nicht nur schmerzhaft ungerecht, sie sind meist auch ausgesprochen falsch. So gilt etwa in manchen Landstrichen die Brille als Zeichen für hohe Intelligenz der Trägerin, während ein sichtbares Hörgerät immer wieder die Aura von „dumm“ suggeriert.

Roswitha Ladner, seit einer unbehandelten Mittelohrentzündung in der Kindheit selbst mit Hörgeräten konfrontiert, erzählt von den Erfahrungen einer Anwenderin, die sich an die Richtlinien des Hörgerätegebrauchs hält.

Gerade das scheinbar Selbstverständliche ist oft aus einer Auseinandersetzung mit würdigen und unwürdigen Argumenten hervorgegangen.

So nimmt man heutzutage die Mehrsprachigkeit Südtirols als wesentliches Merkmal des Landes, aber noch vor nicht allzu langer Zeit hat man den konsequent auf Italienisch/Deutsch schreibenden Lyriker Gerhard Kofler aufgefordert, sich gefälligst für eine Sprache zu entscheiden. Dabei ist es das Vermächtnis Gerhard Koflers, dass eine mehrfarbige Sprachfahne unverwechselbar durch die Literatur weht.

Wenn es in der Gesellschaft wirklich verbrecherisch rund geht, gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Engeln und Dämonen, weil die Ermittler zu Tätern werden und die Täter ermitteln. Die Guten und die Bösen haben sich im großen Verbrechen gegenseitig Schachmatt gestellt.

Georg Haderer lässt in seinem quer über die Alpen verschütteten Kriminalfall den Chefermittler Major Schäfer im eigenen Delirium verschwinden. Von der ersten Seite an geistert er durch unbekannte Wälder Richtung Schweiz, er weiß selbst, dass er das Gedächtnis verloren hat, und klammert sich an die Hoffnung, dass man ihn findet, aber ihn dann nicht seines Dämons beraubt. Schäfer ist restlos überfordert, neben einer therapeutischen Grund-Behandlung haben es ihm vor allem esoterische Seminare angetan.

Manche Themen entwickeln geradezu eine eigene Literatur-Gattung. Das Fallen etwa ist seinerzeit während der Belagerung Leningrads von Daniil Charms literarisch zu einer solchen Spitzfindigkeit entwickelt worden, dass man ihn selbst in der Belagerung noch extra im Gefängnis festgesetzt hat, weil sein dichterisches Treiben noch im Untergang als gefährlich gegolten hat.

Andreas Brugger greift den Kosmos Fallen auf, um neben 41 Gedichten vor allem ein „Fragment über das Leben und Sterben des polnischen Lyrikers Wladyslaw Szlengel im Warschauer Ghetto“ auf die Bühne zu bringen.

Lyrik muss sich fallweise eine eigene Bahn durch morastiges Gelände bahnen, dabei besteht ihre Widerstandskraft darin, dass sie sich mitten durch den Alltag eine tragfähige Spur bahnt, ähnlich einem Schneeflug, der alles für die Fahrt am Morgen freihält.

Annemarie Regensburger ist die große Widerstandskräftige Tirols, mit ihren Dialektgedichten hält sie den Oberflächlichen einen Tiefenspiegel vors Gesicht, mit ihren raren spitzen Epigrammen setzt sie den Floskeln auf den Wegwisch-Displays Grenzen, mit ihren Ermunterungen aus dem der Mitte des Alltags räumt sie verlässlich das Dickicht beiseite, um mit klaren Sätzen durchzustoßen auf die Hinterseite der oft rasch ausgesprochenen Vorurteile. 

Mit dem berühmten starken Anfangssatz brennt sich ein Roman unauslöschlich in das Gedächtnis der Leserschaft. „Jeden Sonntagmorgen, seit 1998, wachte Samuel Bly alleine auf und masturbierte.“ (9)

Nicht nur wegen dieses starken Auftritts des Helden Samule Bly ist Martin Kolozs Roman „Ein Funke Leben“ eine unvergessliche Angelegenheit, das Kammerstück über Trauer, Sinn des Lebens und Verlöschen des Daseins in der dahin strömenden Zeit bremst den bloßen Tagesablauf und implementiert quer gelegte Gedanken.

Das Glück ist einerseits durch einfache Bilder ausgeflaggt und zwingt andererseits den Glücksuchenden zu unendlich ausufernden Schleifen, und zu allem Überdruss ist das Ende offen.

Der Glücksuchende im Hypo-Roman „Solange noch Blätter auf den Bäumen sind“ sichert sich gleich mehrfach gegen allzu eindeutige Entlarvungen seines Tuns ab.