ned beauman, Warum der Wahnsinn einer Niederlage vorzuziehen istLässt sich das große Amerika besser würdigen, wenn man einen Hollywood-Film mit voller Dramaturgie im Dschungel dreht und dabei einen Maya-Tempel als Kulisse missbraucht, oder ist es gleich besser, diese Pyramide abzutragen und missbräuchlich in New York aufzustellen?

Was auf den ersten Blick wie ein Scheinproblem klingt, ist vielleicht auch eines. Denn in Wirklichkeit geht es darum, ob im amerikanischen System nicht jede Auseinandersetzung in Wahnsinn enden muss, weil niemand die Niederlage versteht.

josef von neupauer, österreich im jahre 2020Utopien und Dystopien müssen den Leser mit zwei Brechstangen öffnen und bearbeiten, einmal ist es eine utopische Botschaft in Romanform, zum anderen das Aushebeln der Zeit.

Ein Buch kann noch so in der Zukunft spielen, es wird den Makel im Impressum nicht los, dass es zu einem bestimmten Jahr an einem bestimmten Ort gedruckt worden ist. Diese irdische Verankerung gilt auch für digitale Files in der Cloud.

Die Kunst dieser Romanform wird in den 1890ern vor allem in Amerika dazu genutzt, um politische Thesen und Zukunftsentwürfe zu diskutieren. Diese utopischen Thesenromane beschäftigen sich oft mit dem Thema Kommunismus, als Weiterentwicklung der Demokratie. Ein Höhepunkt dieser Gattung ist später Orwells 1984. In Europa werden diese Romane um die „Kommunisten-Angst“ diskutiert, um daraus eine Fortführung der Monarchien abzuleiten.

alfred paul schmidt, die logik der schattenDer Aphorismus ist ein Brühwürfel, der eine würzige Argumentationskette auslöst, wenn man ihn ins Gespräch wirft.

Alfred Paul Schmidt blickt auf ein reiches Schriftstellerisches Leben zurück, dabei kristallisieren oft ganze Bücher und Schriftsätze zu Aphorismen aus. Außerdem hat der Autor eine Zeitlang wöchentlich einen Aphorismus für eine Zeitung geschrieben. Das Brüh-Verfahren dafür ist originell, jeden Tag entsteht ein guter Spruch, und am Wochenende setzt der Redakteur einen davon in die Zeitung. So entstehen über-konzentrierte Textzeilen, die wahrlich aus dem Alltagsgeschehen ausbrechen und das Zeug für die Zeitlosigkeit haben.

helmuth schönauer, nie wieder tirol„Tirol ist ein mehr oder weniger gelungener Bluff, der die Leute über den Tisch zieht, sobald jemand das Land betreten hat. Es gibt in Tirol nichts, was Sie nicht zu Hause in besserer Qualität haben könnten.“ (S. 5)

Die beiden jungen bayerische Startup Unternehmer Cum und Kim wollen in Tirol eine App entwickeln, mit deren Hilfe man sich in Tirol umschauen kann, ohne nach Tirol fahren zu müssen. Auf ihrer Fahrt nach Tirol werden sie nach zahlreichen gescheiterten Versuchen erkennen, dass es unmöglich ist, in das total „verstaute“ Land einzureisen.

gabriele petricek, innsbruckZu einem funktionierenden Programm gehört auch immer eine pragmatische Einschätzung, was möglich ist und was nicht. Dabei kann es sich um ein Ausbildungsprogramm, Lebensprogramm oder Sommerprogramm handeln, wichtig ist stets die Frage, was geht sich noch aus und was nicht.

Gabriele Petricek schickt ihre Heldin durch diverse Waschstraßen der Erzähltheorie, installiert sie wie eine Avatarin in verschiedenen Kulturkreisen und entwickelt sie nach dem Motto künstlicher Intelligenz im Literaturbetrieb. Der Kompositionsvorgang wird „Verfolgungsrituale“ genannt, dabei verfolgen einander die Figuren als beiläufige Verwandte oder Liebespartner, andererseits verfolgen die Figuren einfach diverse Ziele, die sie während der Verfolgung oft aus dem Auge verlieren.

elias schneitter, ein gutes pferd zieht noch einmalDie Erinnerung ist ein Pferd, das morgens auf den Acker geht und abends als Salami nach Hause kommt. Aber auch der Acker erlebt sein Asphalt-blaues Wunder und verwandelt sich innerhalb von Stunden in eine Schnellstraße.

Elias Schneitter ist der Spezialist für außerordentliche Helden vom Rand der Gesellschaft. Wenn seine Sprache oft grotesk unterkühlt wird, so huldigt er damit dem puren Realismus. In seinen Erzählungen ist nichts aufgeputzt oder abgeschliffen, die Sätze liegen unbehauen herum wie jenes seltene Brachland, auf dem die Figuren ihre Wunschträume mit morschem Holz und Bruchziegel errichten.

horst moser, kleinstadtidyllDas Wesen einer Kleinstadt ist es, dass Geschäfte, Gerüchte und Gefühle ganz eng beieinander liegen und oft sogar ausgetauscht und verwechselt werden.

Horst Moser nimmt mit seinem Roman „Kleinstadtidylle“ die Entgleisungen des Zusammenlebens unter die Lupe, wie sie täglich unter den Teppich gekehrt werden. Als Hauptthema kristallisiert sich dabei die sub-kuttane Sexualität heraus, die gerade in kleinen Gemeinwesen seit Generationen blüht und emsig vertuscht wird. So können die nächsten Generationen sich wieder in voller Unschuld dem schändlichen Treiben widmen, wenn die Alten sich ins Grab geschwiegen haben.

judith gruber-rizy, eines tages verschwand karolaDie höchste Erzählkunst muss immer dann aufgebracht werden, wenn es um das Verschwinden geht. Dabei handelt es sich um ein Paradoxon. Je mehr etwas verschwinden soll, umso höher ist der Aufwand an konkreten Sätzen, der das Verschwinden besiegeln soll.

Judith Gruber-Rizy verwendet die Vorgänge rund ums Verschwinden, um dadurch eine halbwegs plastische Biographie in die Gänge zu bekommen. In der Germanistik steht die Verschwindens-Theorie hoch im Kurs, man denke etwa an Alfred Anderschs „Mein Verschwinden in Providence“ oder Gerhard Amanshausers unermüdliche Versuche, das Ich durch Erzählen mundtot und zum Verschwinden zu kriegen.

liam callanan, ich erfinde parisLängst ist Literatur ein globalisiertes Geschäftsmodell geworden, in dem Autoren ähnlich einem Spielerfinder mit allen Tricks versuchen, den Leser zu fesseln und für ein paar Stunden von dessen Realität abzuschnüren. Der moderne Roman gleicht oft eher einer Spielkonsole, mit der man sich wegzappt, als einer Anleitung, wie man die weggezappte Welt aushalten könnte.

Eine ganze Industrie von Creative Writing wirbt quer über den amerikanischen Kontinent jedes Semester um neue Schüler, und die Professoren verfassen dabei Romane, worin sie ihre Writing-Thesen ausprobieren. Zumindest die Schüler müssen das alles lesen, womit sich eine satte Buch-Auflage verkaufen lässt.

markus koschuh, olympisches dorfWenn ein Ort nicht weiß, was er will, müssen ihm die Bewohner jeden Tag einen neuen Sinn geben.

Das Olympische Dorf in Innsbruck ist seinerzeit als Sportlerunterkunft auf der grünen Wiese entstanden. Man hat freilich schon bei der Planung für 1964 daran gedacht, dass später normale Leute darin wohnen sollen. Anders bei der Schnellschuss-Olympiade 1976, als man offiziell aus Zeitnot keine ordentliche Planung machen konnte und ein bereits überholtes Hochhauskonzept ohne Charme weitergebaut hat.