Bartsch / Fuchs (Hrsg.), Norbert Gstrein Dossier

Buch-CoverDas Sinnvollste von Graz ist der Droschl-Verlag. Er gibt unter anderem die Serie „Dossier“ heraus, worin versucht wird, österreichische Schriftstellerinnen und Schriftsteller in ihrer Wahrnehmung je nach Notwendigkeit ins rotieren zu bringen oder zu stabilisieren.

Der Band 26 gilt dem Tiroler Norbert Gstrein und ist ein nicht ganz einfaches Unterfangen. Denn Norbert Gstrein weigert sich mit Händen und Füssen, vom Literaturbetrieb gefesselt zu werden.

So hält sich dieses Dossier einerseits an die Wünsche des durchleuchteten Autors, indem beispielsweise die biographischen Daten auf das Nötigste reduziert sind (und das sind in der Hauptsache Preise und Stipendien), andererseits liefert das Dossier einen Wahnsinnsakt an Klarheit, in dem es ein Gstrein-Buch nach dem anderen abarbeitet.

Überstrahlt wird das Kompendium an Aufsätzen, Erläuterungen und Rezensionen von einem beinahe überirdisch luziden Interview, das Axel Helbig im Jänner 2005 mit Norbert Gstrein geführt hat. Unter dem Titel „der obszöne Blick“ geht es dabei um die ständig oszillierende Bildkante zwischen Fakten und Fiktion.

Nach diesem Gespräch versteht man, warum Norbert Gstrein im gewissen Sinne die Schnauze voll hat von Tirol, warum er es als empörend empfindet, wenn man ihn als Dorfschreiber oder als alpinen Exoten bezeichnet, und warum es in manchen Situationen egal ist, was jemand tut, es wird einfach kategorisch missverstanden. So ein künstlich hoch gehaltenes Missverständnis ist etwa die Geschichte eines Reporters, der in Jugoslawien zu Tode kommt, und in dieser Geschichte bringt ein einziger Name als Nichtname alles in Schräglage.

Das Interview endet mit einem beeindruckenden Credo.

Ist die Existenz in einem Romankosmos so etwas wie eine Droge? - Es ist mindestens ein Sinnersatz. Es stellen sich gewisse andere Sinnfragen nicht, innerhalb dieses Kosmos. Die kann man in seinem Größenwahn als Schöpfer in diesem Augenblick dahingestellt lassen. Und deshalb ist man, glaube ich, gerettet, für den Augenblick. (29)

Noch keine fünfzig Jahre alt erzählt Gstrein auch, dass es immer schwieriger für ihn wird, wieder in einem neuen Roman abzutauchen. Und als Kernbild des Gstreinschen Kosmos bleibt dem Leser dieses Tiroler Dorf der frühen Romane in Erinnerung, in dem die Menschen genau nicht kommunizieren.

Nach diesem Interview jedenfalls ist man als Leser hingerissen und von der Arbeit Norbert Gstreins überzeugt. In den nachfolgenden Kapiteln gibt es genaue Analysen zu den einzelnen Werken, wichtige Rezensionen sind noch einmal abgedruckt und für weitere Forschungen sind penibel alle noch so kleinen Wortmeldungen zu Gstrein aufgeführt.

Norbert Gstrein ist wendiger als alle Netze, mit denen ihn gerade die Germanisten einfangen wollen. So entsteht manchmal ein literarisches Fuchs und Henne Spiel, bei dem man als Leser zum Autor hilft, der paradox als Fuchs von den Hennen gejagt wird.

Ein sympathisches Dossier für einen Autor, der trotz aller Scheu und Vorsicht letztlich doch eine Menge preisgibt.

Kurt Bartsch / Gerhard Fuchs(Hg.), Norbert Gstrein. Dossier Band 26.
Graz: Droschl 2007. 246 Seiten. EUR 31,-. ISBN-13: 978-3-85420-713-9.

 

Weiterführende Links:
Literaturverlag Droschl: Kurt Bartsch, Gerhard Fuchs, Dossier 26: Norbert Gstrein
Wikipedia: Norbert Gstrein

 

Helmuth Schönauer, 16-03-2007

Bibliographie

AutorIn

Bartsch / Fuchs (Hrsg.)

Buchtitel

Norbert Gstrein. Dossier 26

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Droschl

Herausgeber

Bartsch / Fuchs

Seitenzahl

246

Preis in EUR

31,00

ISBN

978-3-85420-713-9

Kurzbiographie AutorIn

Norbert Gstrein, geb. 1961 in Mils bei Imst, lebt in Hamburg.