Jeffrey Metzner, Strich für Strich

Angenommen wir hätten nur die Kunst der archaischen Höhlenzeichnung zur Verfügung, könnten wir dann unsere scheinbar so komplexe Welt darstellen?

Zumindest Jeffrey Metzner kann es. In einem verrückt einfachen Stil, bei dem das so genannte Strichmännchen bereits eine üppige Figur ist, zeichnet er sowohl dramatische Vorgänge als auch psychologische Tiefgänge.

Als Strich-Leser ist man nun angehalten, die wichtigsten Stationen der Weltgeschichte zu dechiffrieren. In einem Anhang gibt es wie in einem Rätselbuch die Auflösung. Aber nur selten muss diese Hilfe aufgesucht werden, denn der Zeichner hält sich strikt an den Kanon einer zur Zeit gültigen Universalgeschichte. Wer bei Jeffrey Metzner als Strichmännchen vorkommt, ist wirklich wichtig, könnte man zusammenfassen.

Aus dem Sektor ‚Kunstgeschichte‘ stechen so elementare Bilder wie Munchs Schrei, Klimts Kuss oder Cezannes Kartenspieler heraus. Durch die Strichtechnik erfahren diese Bilder eine geradezu groteske Einfachheit und erinnern an Kassiber aus abgeschlossenen Räumen oder schlicht an Höhlenzeichnungen.

Unter dem weitläufigen Kapitel ‚Geschichte‘ sind Bilder zusammengefasst, die um die Welt gegangen sind oder in Geschichtsbüchern als Aufmacher für Epochen herhalten. Hillary und Sherpa Tensing am Mount Everest, Griechen schlüpfen aus dem Trojanischen Pferd, Armstrong und Aldrin auf dem Mond sind Ikonen der Geschichtsbilder und wirken als Strichbilder dementsprechend nachhaltig.

In den Kapiteln ‚Filmszenen’ und ‚Geschichten’ geht es um eingefrorene Storyboards, überzeichnete Illustrationen oder einfach um das Anhalten der Dramaturgie und die Zuspitzung auf eine Strich-Szene.

Das Auge, üblicherweise überfüttert mit Ablenkungen, ist äußerst dankbar für diese witzige Reduktion. Je weniger am Bild ist, umso größer ist die Eindeutigkeit. Und ähnlich einem Piktogramm, das ja hilfreich Auskunft über Richtungen und Verhaltensweisen geben kann, lösen diese Zeichnungen schlagartig Phantasieschübe im Betrachter aus. Man sieht Citizen Kane, oder eigentlich nur den Strichschnauzer von Orson Wells, und schon ist der ganze Film abgerufen. Man sieht vom Cockpit aus das Weltall als eine konzentrische Scheibe und hört bereits den Sound-Track von Odyssee im Weltraum.

Jeffrey Metzners Zeichnungen lassen sich als Rorschachtest für Phantasie lesen, und plötzlich sind alle Vorstellungen im Kopf richtig.

Jeffrey Metzner, Strich für Strich. Große Momente der Film-, Kunst- und Weltgeschichte.
Frankfurt/M: Eichborn 2007. 128 Seiten. EUR 13,40. ISBN 978-3-8218-4973-7.

Helmuth Schönauer, 28-06-2007