Linda Stift, Stierhunger

Buch-CoverDer Gugelhupf gilt nicht nur als der König der österreichischen Kaffeejause, unter Gugelhupf versteht man auch eine psychiatrische Anstalt mit mehr oder weniger ringförmigem Auslauf.

Der Roman Stierhunger beginnt wie eine Vorabendserie. Eine unbekannte Frau bittet die Ich-Erzählerin, ihr doch den halben Gugelhupf abzunehmen, da ihr ein ganzer zu viel ist. Über den Gugelhupf kommen bekanntlich die skurrilsten Leute zusammen, die Erzählerin ist bald einmal bei der Gugelhupffrau zu Gast und erlebt einen Transfer in eine andere Zeit.

Bei genauerem Hinsehen nämlich ist die Hohenembs, wie sich diese Unbekannte nennt, nichts anderes als eine Sisi-Wiedergängerin. Zusammen mit der Hausgehilfin Ida führt sie ein morbides Leben mit unförmigen Höhepunkten. Aus den Museen werden Raritäten gestohlen, wenn sie für den Lebensstil von Nutzen sind. Einen besonderen Leckerbissen für extravagante Kulthandlung stellt dabei eine so genannte Entenpresse dar, die aus der Karkasse von Enten leckeren Saft herauspresst. Dieser Entensaft ist nicht nur gesund, er entspricht auch der Ernährungsphilosophie der historischen Sisi, welche sich mit Korsetten und Säften um die Leibesmitte ausdünnte.

Allmählich wird das Leben der Erzählerin zu einem Gugelhupf. Da sie die Wohnung verliert, zieht sie zur Hohenembs und wird in ein abenteuerliches Korsett von Wahnsinn, Hungerkuren und monarchischen Ritualen gepresst. Höhepunkt ist ein Sisi-Wettbewerb, bei dem es Schokolade im Umfang des Lebendgewichtes zu gewinnen gibt. Die Erzählerin gewinnt diesen maßgeschneiderten Wettbewerb, allerdings muss sie die Schokolade sofort an die Gugelhupfdomina abliefern. Während sich Ida mit einem Grafen ruckizucki kopulierend vergnügt, was einen typischen Friedenshuscher am Antlitz auslöst, versucht die Erzählerin zu fliehen. Über Bratislava könnte der Weg in die Freiheit führen.

Aber nichts ist da mit Freiheit. Zwei als Polizisten verkleidete Wärter bringen die Ausreißerin wieder in jene Wohnung zurück, die eigentlich eine geschlossene Anstalt ist.
Unterlegt wird diese Verstrickungs- und Ausreißerstory von vorgeblichen Tagebucheintragungen aus dem Sisi-Mythos. Im Reich der Halbwahrheiten und der künstlich überdrehten Sisi-Aura wimmelt es nur so von Begriffen wie Korfu, Genf, Feile, Korsett und Gödöllö. Jeder noch so kleine Furz kann zu einem rauschenden Gebläse werden, wenn er aus einer Körperöffnung von Sisi kommt.

Je mehr im Mythos gehungert wird, umso heftiger plagt die Erzählerin der Stierhunger. Wo gefressen wird, muss auch gekotzt werden, die Heldin entwickelt eine eigene Kotzkultur, indem sie beispielsweise im Zimmer in leere Marmeladegläser mit Schraubverschluss kotzt. Wer den Dreh einmal heraus gefunden hat, kotzt Kunstwerke.
Linda Stifts Roman ist eine schmatzende Orgie an österreichischem Wahnsinn! Kaiserinnenkult, Gugelhupf, näselnde Debilität und sarkastischer Umgang mit der Geschichte ergeben eine lustige Geschichte, bei der man zwischendurch vor Lachen mit Brechreiz belohnt wird.

Linda Stift, Stierhunger. Roman
Wien: Deuticke 2007. 171 Seiten. EUR 18,40. ISBN 978-3-552-06068-5.

 

Weiterführende Links:
Zsolnay und Deuticke-Verlag: Linda Stift, Stierhunger
Wikipedia: Linda Stift

 

Helmuth Schönauer, 03-10-2007

Bibliographie

AutorIn

Linda Stift

Buchtitel

Stierhunger

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Deuticke

Seitenzahl

171

Preis in EUR

18,40

ISBN

978-3-552-06068-5

Kurzbiographie AutorIn

Linda Stift, geb. 1969 in der Südsteiermark, lebt in Wien.