Engelbert Obernosterer, Nach Tanzenberg

Buch-CoverErst wenn man eine Sache von zwei Seiten betrachtet, wird sie dadurch vielleicht wahr und oft auch schräg und zum Schmunzeln.

Engelbert Obernosterer nennt jene Sache, die ihn in seinem Leben wohl am meisten beschäftigt und beschädigt hat "Nach Tanzenberg".

Tanzenberg ist ein berüchtigtes Kärntner Internat, in dem etwa gleich viele Menschen glücklich geworden wie zu Grunde gegangen sind. Die berühmtesten literarischen Zöglinge sind vielleicht Peter Handke, Florian Lipus, Gustav Janus und eben Engelbert Obernosterer.

Im Titel dieser autobiographischen Lossprechung steckt sowohl der hoffnungsvolle Befehl; "Auf nach Tanzenberg!" als auch die resignative Erläuterung, "was nach Tanzenberg geschah".

Geburt als letztes Kind auf einem Bergbauernhof, tierische Abläufe im Seitental, Kommunikation an der Grenze zum Verstummen, Volksschule im heftigen Ablauf von Wetterkapriolen, und dann durch Vermittlung eines Onkel Pfarrers Einritt in das Internat. In diesem Abschnitt ist eine raffinierte Studie der Zeitgeschichte eingearbeitet, etwa wie der Autor nach dem ermordeten Bundeskanzler Dollfuss benannt wird, oder wie die Leute (die Leit) nur ein Leitbild haben, nämlich darauf zu achten, was die Leit sagen.

Das Internat läuft teils als religiöse Schauspielschule, teils als Hormonkur ab. Die Pubertät und das andere Geschlecht zwingen jeden noch so guten Schüler in die Knie. Kein Wunder, dass der Icherzähler kurz vor der Matura aus dem Internat geht und sich bei seinem Onkel in Klagenfurt selbst mit der Matura verköstigt. Aber diese echte Matura in der Stadt ist ungleich schwerer als die religiöse am Landinternat, so muss der Autor über den Sommer nachreifen, ehe er die Reife erlangt.

Schließlich folgen Überlebensjobs, Studienversuche in Wien und am Schluss eine Karriere als Volksschullehrer. Allein der erste Einsatzort ist so winzig, dass ihn der Junglehrer kaum findet. Endlich gibt es dann als Krönung eine Anstellung als Kunsterzieher.

Engelbert Obernosterer erzählt geduldig und fasst immer wieder in der eigenen Erinnerung nach, bis die Bilder zerknittert zum Vorscheinkommen und humorvoll ausgeglättet werden. Bis auf jene Stellen, wo der Erzähler offensichtlich seine lebenslängliche Frau gefunden hat, wird alles völlig ungeniert erzählt. Vieles ist aus eigenem Unvermögen unrund abgelaufen, anderes ist überhaupt ohne irgendein Zutun abgelaufen.

Der Rückblick fällt witzig, penibel frech und gelassen aus. Nach Tanzenberg ist wirklich eine Lossprechung. Die seltsamen Figuren bleiben schräg in der Luft der Erinnerung hängen, und je ungustiöser sich eine Figur aufführt, umso sympathischer wird sie in der Erinnerung. Über allem schwebt ein großer Erinnerungsvogel an Gelassenheit: Es ist fast unvorstellbar, was sich innerhalb eines Menschenalters im Internatsleben, auf dem Land, in Kärnten und überhaupt in der Peripherie doch noch alles zum Guten gewendet hat.

Engelbert Obernosterer, Nach Tanzenberg. Eine Lossprechung. Werke Band 5.
Klagenfurt: Kitab 2007. 238 Seiten. EUR 15,-. ISBN 978-3-902585-03-7.

 

Weiterführende Links:
Kitab-Verlag: Engelbert Obernosterer, Nach Tanzenberg
Wikipedia: Engelbert Obernosterer

 

Helmuth Schönauer, 07-11-2007

Bibliographie

AutorIn

Engelbert Obernosterer

Buchtitel

Nach Tanzenberg. Eine Lossprechung

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Kitab

Reihe

Werke Bd. 5

Seitenzahl

238

Preis in EUR

15,00

ISBN

978-3-902585-03-7

Kurzbiographie AutorIn

Engelbert Obernosterer, geb. 1936 in St. Lorenzen/Lesachtal, lebt in Hermagor.