Kurt Bracharz, Pantomime vor Blinden

Buch-CoverSkurriler geht es kaum! Keine Gattung wird von Kurt Bracharz in Ruhe gelassen, und aufgeschreckt in ihrer Gattungsschatulle fangen die Texte wie von selbst zu toben an.

Gleich zu Beginn schikanieren sich ein Lehrer und ein Philosoph auf antikem Felde mitten in Griechenland.

Was ein Urlaub sein könnte eskaliert zu einer rasenden Klugscheisserei durch die Geschichte der Philosophie und der abendländischen Über-Bildung. Aus heiterem Himmel tauchen Hunde oder semantische Partikel auf und legitimieren sich durch einen griechischen Wortstamm.

Der gute alte Heidegger muss für ein Urlaubs-Referat herhalten, obwohl ihm gerade das Hosentürl offensteht. In dieser Schlangengeschichte, worin eine Episode in die nächste übergreift wie die Schuppen eines Reptils, taucht der notwendige Malteser erst sehr spät auf, um der Erzählung ihren Namen zu geben.

In einer anderen Geschichte fällt an der Sollbruchstelle am Himmel eine Maschine entzwei, doch der Held Fetonte überlebt mit Leichtigkeit und nach einem Umtrunk am Boden gehts mit der Limousine nach Hause, als wäre außer der Illumination nichts geschehen.

In einem sogenannten Varieté der Väter geht es darum, welcher Vater an der blödesten Todesart ums Leben gekommen ist. Der Start ist fulminant, wird doch der Vater des Erzählers aus heiterem Himmel von einem gefrorenen Urinblock, den ein Flugzeug verloren hat, erschlagen, während der Sohn in seine Arme laufen will. Dafür ist die Gegendarstellung umso realistischer, aus Scham stirbt der Vater völlig zurückgezogen und dement wie Tausende andere auf dieser Welt.

Gerade diese brutal-normale Todesart wirkt in der Umgebung von Grotesken umso heftiger. Aber vielleicht ist Vater auch Zirkusartist, impotent und inkontinent und führt sagenhaft urinöse Stücke auf, ehe er als Clown todtraurig stirbt. Je mehr wir über das Sterben lachen, umso brutaler wird es!

In den selten erzählten Vorarlberger Sagen geht es ordentlich zur Sache. Lauterach geht auf einen Seufzer zurück, den Jesus höchst persönlich getätigt haben soll, als er sich irrte. Die Walser sollen auf einen Fluch zurückgehen, als ein Knecht einmal nicht ordentlich ausbezahlt wurde, soll er in einer grausig artikulierten Sprache die Nachkommen verwünscht haben, seither sind die Walser kleinwüchsig und haben eine entsetzliche Sprache.

Im Hauptstück schließlich stellt Kurt Bracharz eine Lesemitschrift aus dem Jahre 1994 vor. Verquere Lektüre, schrullige Leseaufenthalte, sinnlose Buchzitate und Klappentexte, die mit den Ohren wackeln, gehen hier nahtlos als kleine Prosaminiaturen in einander über. Irgendwo in der Jahresmitte dieses lesegoldenen Jahres gibt es dann auch den Eintrag, der dieser Sammlung den Titel gegeben hat. Schreiben ist letztlich nichts anderes als eine Pantomime vor Blinden!

Kurt Bracharz, Pantomime vor Blinden. Prosa.
Innsbruck: Skarabaeus 2008. 160 Seiten. 16,90. EUR. ISBN 978-3-7082-3238-6.

 

Weiterführende Links:
Wikipedia: Kurt Bracharz, Pantomime vor Blinden
Bundesgymnasium Bregenz: Kurt Bracharz

 

Helmuth Schönauer, 17-04-2008

Bibliographie

AutorIn

Kurt Bracharz

Buchtitel

Pantomime vor Blinden

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Skarabaeus

Seitenzahl

160

Preis in EUR

16,90

ISBN

978-3-7082-3238-6

Kurzbiographie AutorIn

Kurt Bracharz, geb. 1947 in Bregenz, lebt in Vorarlberg.