Verein für Kultur in Inzing (Hrsg.), andernWOrts

Buch-CoverDer Kulturort Inzing leistet sich nicht nur eine der besten Dorfzeitschriften Tirols und ein bemerkenswert upgedatetes Dorfbuch, sondern stellt sich zwischendurch immer wieder auswärtigen literarischen Testern, die dem Eigenbild der Einheimischen auf den Zahn fühlen.

Im Herbst 2007 durften sich die Autorinnen Seher Cahir aus Istanbul, Sarita Jenamani aus Cuttack / Indien und der Autor Sina Tahayori aus Shiraz / Iran in Inzing einquartieren mit der Bedingung, "eppes" zu schreiben. Alle Ortstester leben mittlerweile in Wien, sodass An- und Abreise innerhalb eines Tage von statten gehen konnten.

Die in Inzing kreierten Texte sind Inhalt der Sammlung andernWOrts.

"Vertraut nie einer Frau" nennt Seher Cakir die Erzählung, in der ein Mann das Cafe Wintergarten betritt und in einen Alptraum gerät. In einem dörflichen Labyrinth biegen die Wege wie von selbst ab, noch ehe man sich an einer Kreuzung für einen von ihnen entscheiden kann. Korridore springen zurück, so bald man sie betritt, Türen gehen von alleine auf, auch wenn man sie nicht braucht.

"Bin ich eingeraucht oder was?" (19) fragt der Protagonist in einem hellen Moment. Beschriftungen wie Hauptstraße oder Gemeindeamt, Jakobsweg oder Krippenweg verkrusten zu Horrorschildern, die ins Nirgendwo führen. Hunger, die Sucht nach einer Berührung, Wunsch nach Eiern und Milch, um sich Not-Palatschinken aufzusprudeln. - Die Frau wacht auf und sieht sich neben dem Mann liegen, welcher sie im Alptraum gewesen ist.

Sarita Jenamani stellt Gedichte vor, die im regnerischen Ambiente, in der Bergwelt, in der Muse oder gar am Abend in Inzing spielen. Das Eingangsgedicht ist in "indischen" (Hindi) Schriftzeichen verfasst und erscheint als graphisches Kunstwerk, dessen Zeichen unsereins nicht versteht. Die auf Englisch komponierten Gedichte sind sorgfältig ins Deutsche übersetzt.

Ein markanter Text ist dem Friedhof in Inzing gewidmet.

Die Kirchenglocke läutet / zur Mitternacht / für jene, die längst schon / friedlich schlafen auf dem Totenacker. / Wir fragen das Geläut / doch als Antwort kommt / sein Echo nur. / Kühne Berge / schicken uns winterliche Küsse. / Verloren in fremdem Tal / wird unterm Schnee das Lied begraben. / An jedem Schlüssel dreht das Herz / doch uns öffnet / keine Tür sich. (31)

Sina Tahayori schickt in der Erzählung "Weiden unter dem Baum der Trauer" seinen Helden in ein Dorf, das offensichtlich streng katholisch möbliert ist. Allmählich kann er seinem Gay-Herzen freien Lauf verschaffen, er entdeckt die stille Liebe zu einem Jungen, dem es im Dorf nicht gerade bestens geht.

Im Nachwort mahnt Verena Teissl Offenheit und Gelassenheit im Umgang mit interkultureller Literatur ein. Meist stehen wir uns mit unserem sogenannten Standpunkt nämlich selbst im Weg.

Verein für Kultur Inzing (Hg.): andernWOrts. Anthologie.
Innsbruck: Skarabaeus 2008. 87 Seiten. EUR 12,90. ISBN 978-3-7082-3241-6.

 

Weiterführende Links:
Skarabäus-Verlag: AndernWOrts

 

Helmuth Schönauer, 29-05-2008

Bibliographie

AutorIn

Seher Cakir / Sarita Jenamani / Sina Tahayori

Buchtitel

andernWOrts

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Skarabaeus

Herausgeber

Verein für Kultur in Inzing

Seitenzahl

87

Preis in EUR

12,90

ISBN

978-3-7082-3241-6

Kurzbiographie AutorIn

Seher Cakir, geb. in Istanbul, lebt in Wien.
Sarita Jenamani, geb. 1972 in Cuttack / Indien, lebt in Wien.
Sina Tahayori, geb. 1966 in Shiraz / Iran, lebt als Architekt in Wien.