Wolfgang Pollanz, Ich, Vogel

Buch-CoverÜblicherweise kommen Vögel in Gedichten vor und symbolisieren darin den leichten Vorüberflug der Zeit. Wolfgang Pollanz, der Meister des irritierenden Klischees, lässt naturgemäß seinen Vogel auf dem Grazer Hausberg landen, und wenn er schon einmal da ist, kommt er auch gleich in den Titel.

So entsteht eine ironische Erzählvorgabe, worin das erzählende Ich leicht wie ein Vogel sein kann, die Welt aus der Vogelperspektive betrachtet wird oder das Ich den sprichwörtlichen Vogel hat.

Die dreizehn Prosaarbeiten "aus all den Jahren" hängen insofern miteinander zusammen, als sie jeweils wie ein Werkzeug-Set diverse Schraubmuttern der Literaturgattung auf- und abdrehen. Tatsächlich fackelt der Autor mit den Genres nicht lange herum, wenn sich eine Gattung nicht geschmeidig für den Gebrauch in der aktuellen Gegenwart biegen lässt, dann wird sie unbarmherzig gebrochen.

In der heimatkundlich auffrisierten Erzählung "Mit der GKB nach Graz" besteht die Steiermark philosophisch gesehen durchaus aus flachem Land, dessen Rückgrat die Graz-Köflacher-Bahn ist. Die Haltepunkte mitten im Wald sind dramatisch aneinandergereiht, der Erzähler fühlt sich wie im Dschungel, wenn so genannte Waldmenschen aus dem Wald fliehen und in die Eisenbahn steigen, während sie steirische Überlebensformeln aussprechen.

Ende dieser abenteuerlichen Reise ist die Landeshauptstadt Graz, aber auch hier ist nichts gewonnen, denn so genannte wichtige Leute erweisen sich als unwichtig, worauf die Erzählung im Retourgang weiterläuft, bis Bahn und Erzähler wieder im Wald verschwunden sind.

Dem Mythos Elvis wird man literarisch nur gerecht, wenn man Elvis als Schöpfungsgeschichte erzählt. Mit dem pathetischen Sound einer Krippengeschichte wird hier das Familienleben von Elvis besungen, stets schwebt die Erleuchtung zwischen den Tönen umher und die Erlösung liegt im Resonanzkörper des Musikinstruments.

Da Elvis geboren ward zur Zeit des seligen Präsidenten Roosevelt brach eine Plage über das Land herein und Armut herrschte und Tränen flossen im Lande Mississippi. (60)


Ähnlich groß angelegt, wenn auch in der dunklen Sprache von Detektivgeschichten, ist die Story von Arnie Weissenegger, der etwa ähnlich steirisch-bullig durch Kalifornien fegt wie sein reziproker Namensvetter. Ein erzähltechnischer Genie-Streich besteht übrigens darin, dass dem Protagonisten bald einmal eins über die Rübe gezogen wird, so dass er den Rest der Geschichte mehr oder weniger im Koma erlebt, ehe ein Deus-ex-machina ganz Kalifornien erlöst.

Wenn halbgebildete Prolos in einer all-inclusive-Anlage zu fressen beginnen, dann kann die Geschichte nur mehr heißen: Schmatz, Schlürf, Schluck (und wieder zurück).

Wolfgang Pollanz reißt mit seinem Prosa-Meißel jede Verkrustung der literarischen Genres auf und legt so neben her die halbe Steiermark und wesentliche Teile der Welt frei, punktgenau und oft mit einem einzigen Schlag.

Wolfgang Pollanz, Ich, Vogel. Kleine Prosastücke aus all den Jahren.
Gosau: Arovell Verlag 2008. 132 Seiten. EUR 12,90. ISBN 978-3-902547-65-1.

 

Weiterführende Links:
Homepage: Wolfgang Pollanz
Amazon: Wolfgang Pollanz, Ich, Vogel

 

Helmuth Schönauer, 08-07-2008

Bibliographie

AutorIn

Wolfgang Pollanz

Buchtitel

Ich, Vogel. Kleine Prosastücke aus all den Jahren

Erscheinungsort

Gosau

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Arovell Verlag

Seitenzahl

132

Preis in EUR

12,90

ISBN

978-3-902547-65-1

Kurzbiographie AutorIn

Wolfgang Pollanz, geb. 1954 in Graz, lebt in Wies.