Judith Gruber-Rizy, Einmündung

Buch-CoverVielleicht ist unser Leben ein unendliches Fluss-System, worin eine Generation sachte in die nächste einmündet.

Judith Gruber-Rizy schickt in ihrem Roman eine gewisse Rosa auf die Reise. Diese hat anfänglich nichts anderes im Sinn, als möglichst viel und ungehemmt zu reisen, allmählich aber scheint sie zur Ruhe zu kommen und begibt sich an den See ihrer Kindheit, wo sie täglich in gewaltigen Touren zu rudern beginnt.

Dieses meditative Kampf-Rudern ist ein Sinnbild für den Ablauf eines gelungenen Lebens, täglich ist das Wasser neu, die Ufer verändern sich, keine Nebelbank gleicht der anderen.

In diese Lebens-Strömung sind die Geschichten der Großmutter und der Mutter hineingesetzt, jeder Versuch, die Geschichte mit Netzen abzufischen, endet mit einem Leerfang.

Aber zwischen den einzelnen Erkundigungs-Auswürfen tut sich dann zuerst die Geschichte der Großmutter auf, die ein scheinbar bodenverhaftetes unendlich geduldiges Leben abgeliefert hat, und schließlich wird sogar die Mutter sympathisch, zu der Rosa ursprünglich keine rechte Beziehung aufbauen konnte.

Rosas Mutter ist eine selbstbewusste Schriftstellerin, die die Schauplätze ihrer Romane mit den Schauplätzen der Weltgeschichte in Verbindung zu bringen weiß. Israel, Holland, Java, Surinam, alles wird zur selbstverständlichen Heimat, wenn man darin herumzureisen vermag.

Gegen Ende findet Rosa die notwendige Ruhe, um die Romane ihrer Mutter ohne Gram und Argwohn zu lesen. Denn auch die Mutter legt ihr literarisches Spätwerk nach vielen Übersee-Romanen zu Hause an bei den heimatlichen Fischern am See der Ur-Kindheit.

Rosa rudert auf den spätherbstlichen See hinaus, rudert fast bei jedem Wetter, setzt sich dann, irgendwo weit draußen auf dem See, auf die schmale Bank ganz hinten in der Plätte und liest im Fischer-Roman der Mutter, liest sich durch Fischertraditionen und Fischergeheimnisse, liest sich durch Wetterbeobachtungen und Wettersprüche, liest sich durch eine Unzahl von Netzgeschichten, liest sich durch Fischerfamilien-Geschichten, liest sich durch gute und schlechte Fangzeiten, durch Fischzucht und geräucherte Fische und weiß dabei nie, ob ihr all diese Geschichten und Geheimnisse sehr fremd oder doch sehr vertraut sind. (146)

Judith Gruber-Rizy hat einen Roman mit Stifterscher Gelassenheit geschrieben, man muss nur lange genug leben und geduldig sein, dann lösen sich auch die schroffsten Ereignisse der Weltgeschichte in erträgliches Schaukeln auf. Die Langsamkeit des Ruderschlags bringt ein wohl dosiertes historisches Bewusstsein hervor.

Alles fließt und mündet in einander, der See ist die große Chiffre, auf der wir klugerweise mit kleinen Stößen herum paddeln. - Eine wunderbar versöhnliche Art, eine Familiensaga spektakulär still anzulegen.

Judith Gruber-Rizy, Einmündung. Roman.
Klagenfurt: Kitab 2008. 157 Seiten. EUR 16,-. ISBN 978-3-902585-19-6.

 

Weiterführende Links:
Homepage: Judith Gruber-Rizy
Kitab-Verlag: Judith Gruber-Rizy, Einmündung

 

Helmuth Schönauer, 24-09-2008

Bibliographie

AutorIn

Judith Gruber-Rizy

Buchtitel

Einmündung

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Kitab

Seitenzahl

157

Preis in EUR

16,00

ISBN

978-3-902585-19-6

Kurzbiographie AutorIn

Judith Gruber-Rizy, geb. 1952 in Gmunden, lebt in Wien und Oberösterreich.