Walter Wippersberg, Eine Rückkehr wider Willen

Buch-CoverGerade wenn das Leben gelungen dahin flutscht, nimmt es oft einen geradezu atemberaubenden Lauf.

Walter Wippersberg erzählt von diesem Hüftknick, der einen so mitten im Saft stehend erwischen kann. Irgendwie hat alles mit der Stadt Steyr zu tun, hier wuchs der Ich-Erzähler auf, hier wurden seine Routen für die Zukunft angelegt, hier kam es zu ersten literarischen Aktionen.

Aus der Entfernung wirkt diese Kindheit völlig unauffällig, man hat den Eindruck, der Autor hat mit Steyr und der Vergangenheit friedlich abgeschlossen. Ein Symptom dieser beinahe harmonischen Nicht-Erinnerung ist der Vater, der kurz nach der Geburt des Autors verstorben ist, aber zum Unterschied von so vielen hysterischen Vater-Suchern, bleibt in diesem Fall die Vergangenheit unangetastet.

Doch Steyr wird man nicht so schnell los. Der Autor erkrankt lebensbedrohlich an einer Darmgeschichte und muss notgedrungen in Steyr ins Spital. Was jetzt folgt, ist eine beinahe irreal wirkende Auseinandersetzung mit dem Leben.

Schnell wachsende Bäume pflanzen, die man noch zu Lebzeiten ausgewachsen sieht, ein Manuskript abschließen, Prüfungstermine für das neue Semester ausschreiben, alles erscheint seltsam wichtig, und dann kippt die Stimmung in jene Zeitlosigkeit, worin alles egal ist. Verstorbene Freunde kommen einem in den Sinn, warum fehlt der Kollege Axel Corti an der Filmakademie auch nach Jahren noch. Wie klingt eine Stimme, die dem Tod ins Auge sieht und quasi aus dem Jenseits spricht?

Walter Wippersberg erzählt unbarmherzig genau von Krankheit, Elend und Tod. Ein unkontrolliert arbeitender Darm bringt alle Niederungen des menschlichen Daseins hervor, während sich der Kopf noch mit der feinsten Kultur beschäftigt, lässt in der Tiefe der Darm aus und spuckt pure Scheiße hervor.

Der Autor hält sich nicht zurück mit Gefühlen der Angst und den schweißtreibenden Vorstellungen eines nahen Endes. Für uns Leser klingt eine große Bescheidenheit aus den Aufzeichnungen, selbst das fitteste Leben kann über Nacht zerbrechlich durchsichtig und jenseits-porös werden. Der Tod ist das andere Ende der Kindheit, weshalb Walter Wippersberg seinen Lebensessay schlicht "zwei Berichte über mich" nennt.

Das Leben dreht oft seltsame Schlieren in der Daseins-Landschaft. Während der Autor Herzinfarkt und krebsnahe Todeskrankheit nicht zuletzt wegen der bravourösen Leistung der Medizin überlebt, stirbt der vertraute Arzt, der ihm das Leben gerettet hat, an Lungenkrebs.

Walter Wippersberg deutet nicht lange herum, er ist selbst erstaunt, was sich so alles in einem und um einen herum abspielen kann, wenn die Krise angesagt ist. Als Dramaturg und Drehbuchfachmann weiß er, dass es gegen die Pläne des eigenen Lebens kein Drehbuch gibt. Das ist eine versöhnliche Botschaft, die über Kindheit, Krankheit, über Steyr, Literatur und das Leben überhaupt einen zurückgenommenen weisen Ton legt

Walter Wippersberg, Eine Rückkehr wider Willen. Zwei Berichte über mich.
Salzburg: Otto Müller Verlag 2008. 179 Seiten. EUR 18,-. ISBN 978-3-7013-1152-1.

 

Weiterführende Links:
Otto-Müller-Verlag: Walter Wippersberg, Eine Rückkehr wider Willen
Homepage: Walter Wippersberg

 

Helmuth Schönauer, 15-10-2008

Bibliographie

AutorIn

Walter Wippersberg

Buchtitel

Eine Rückkehr wider Willen. Zwei Berichte über mich

Erscheinungsort

Salzburg

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Otto Müller Verlag

Seitenzahl

179

Preis in EUR

18,00

ISBN

978-3-7013-1152-1

Kurzbiographie AutorIn

Walter Wipperberg, geb. 1945 in Steyr, lebt in Losenstein.