Andreas Maier, Sanssouci

Buch-CoverAls Markenzeichen der Stadt Potsdam liegt Schloss Sanssouci wahrlich "sorglos" im eigenen Garten und strahlt durch die Geschichte.

In Andreas Meiers Roman Sanssouci geht es um diese Sorglosigkeit, mit der die Protagonisten durch die Geschichte surfen, aus Ost und West scheinbar zwanglos zusammenströmen und letztlich das Leben leicht und mit Eleganz auf die Schulter oder Schaufel nehmen.

Zu Beginn wird ein Filmemacher in Frankfurt begraben, seltsame Typen stehen um das offene Grab herum und dokumentieren durch ihren extravaganten Lebensstil etwas von der Kultur des frisch verstorbenen Max Hornung, der vor allem durch seine aufregende Fernseh-Serie "Oststadt" berühmt geworden ist.

Im ersten Buch geht um ein jugendliches Zwillingspaar, das vor allem professionell mit dem Intercity schwarz fährt. Es geht um einen russischen Mönchsnovizen, der sich im Westen einzurichten versucht, und im Hintergrund schimmert die sozial leicht eiernde Silhouette von Potsdam.

Im zweiten Buch tummeln sich echte Russen, Exil-Russen, Deutschland-Russen und Konsorten durch die Seiten. Sie repräsentieren eine diffuse Zwischenkultur, gehören nirgendwo dazu und entwickeln gerade in der Fuge zwischen den gängigen Ost-West-Klischees eine neue Lebensform. Potsdam brodelt dabei auf als Schmelztiegel zufälliger Schicksale und Gespräche. Wie ticken eigentlich Russen in Potsdam, fragen sich dabei jene Einheimischen, die am Rande der Gesellschaft stehen und so am ehesten Zugang zu den von früher übriggeblieben Immigranten haben.

Im dritten Buch kocht die offizielle Volksseele, weil das Bild, das Potsdam in der Serie "Oststadt" abgibt, für manche nur schwer erträglich ist.

All dieses Gedanken-Gewabere kann selten konkreten Personen zugeordnet werden, der Oberbürgermeister redet den gleichen Semmel wie der Besucher einer Trinkhalle, der Schnapstrinker spricht genau so seicht erhaben wie der für nichts zuständige Abgeordnete.

Zum Wesen des öffentlichen Gesprächs gehört, dass es nie abreißt. (256)

Andreas Maier verdichtet das scheinbar beiläufige Alltagsgeschehen, indem er die Zuordnung der Sätze zu ihren Figuren ständig auflöst. Das große Gebilde aus tausenden kleinen Sätzen steht im Mittelpunkt des Romans. Kollektive Konstruktion einer Stimmung ist angesagt.

Manchmal beginnt ein Absatz mit einem lapidaren Hinweis, dass jetzt etwas aufgezählt wird. Auch die Figuren finden selten etwas Ganzes, sondern meist nur verschiedene Partikel, aus denen sie dann je nach Tagesverfassung etwas zusammenbasteln müssen. Sanssouci ist ein amorpher Schnitt durch eine Gesellschaft, die bereits verwittert, noch ehe man sie beschrieben hat.

Andreas Maier, Sanssouci. Roman.
Frankfurt/M: Suhrkamp 2008. 298 Seiten. EUR 19,80. ISBN 978-3-518-42030-0.

 

Weiterführende Links:
Wikipedia: Andreas Maier
Suhrkamp-Verlag: Andreas Maier, Sanssouci

 

Helmuth Schönauer, 05-02-2009

Bibliographie

AutorIn

Andreas Maier

Buchtitel

Sanssouci

Erscheinungsort

Frankfurt

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Suhrkamp

Seitenzahl

298

Preis in EUR

19,80

ISBN

978-3-518-42030-0

Kurzbiographie AutorIn

Andreas Maier, geb. 1967 in Bad Nauheim, lebt in Frankfurt. Jahrelange Schreibaufenthalte in Brixen.