Didier Goupil, Castro ist tot

Buch-CoverRevolutionen sind vor allem für eines gut: Sie erwecken eigenbrötlerische Rituale von Melancholie und verdampfen dann als Klischee in den eigenen Sprüchen.

Didier Goupil führt den Leser in die satte Welt der abgehangenen kubanischen Revolution. Im ersten Teil taucht ein Ich-Erzähler als Kulturjournalist in Kuba auf, er lässt sich an alle Schauplätze bringen, die wir als Revolutions-Romantiker in Europa kennen. Im französischen Original schlängelt sich der Text in jenem Delirium zwischen Realität und Trance durch die Möglichkeitsform, die Traum und Wirklichkeit zulassen.

Letztlich soll der Erzähler ein Referat über die Begriffe "schreiben-denken-reden" halten (48), aber eigentlich will er über die Verhaftungswelle reden, die die Insel wieder einmal heimgesucht hat.

Während sich das Kuba der kaputten Revolution austobt, sitzt der Protagonist Juan Valero bereits desillusioniert im Gefängnis. Er hat als Kritiker wieder einmal den Bogen überspannt, während man in der vom Tourismus zusehends überwucherten Salsa-Insel ab und zu den Satz hört, die Revolution ist eine Melone, außen grün und innen rot. (33)

Nach einer durchzechten Nacht mit allen intellektuellen und erotischen Höhepunkten, sollte der Erzähler eigentlich nach Europa heim fliegen. Aber er bleibt noch wegen des zweiten Kapitels, das sich "Castro ist tot" nennt.

In diesem Teil wird wie in einer negativen Erlösergeschichte vom Prozess und den Demütigungen Juan Valeros im Gefängnis berichtet. Dieser schreibt Tag und Nacht, verzweifelt, ist ernüchtert und will die Revolution wenigstens mit einer guten Nachrede unvergessen machen. Als der Roman, der "La vie en rose" heißen könnte, fertig geschrieben ist, bringt er sich um.

Der Nachwelt bleibt es nun überlassen, welchen Titel sie für richtiger hält, dass Castro tot ist oder dass die Revolution rosarot ist, wie es auch in einem berühmten Film über Edith Piaf heißt.

Didier Goupil bedient mehrere Sehnsüchte des Lesers, jene nach einem Urlaubsort mit Niveau, die Sehnsucht nach einer Literatur, die uns erlöst, allein schon weil sie im Gefängnis geschrieben ist, und jene Sehnsucht nach einer guten Zeit, die in Gestalt von Autos aus den fünfziger Jahren ungebremst im Kreis fährt.

Viele Informationen laufen wie ein Wikipedia-Eintrag über Kuba durch den Text, aber vielleicht macht es dieser Subjonctiv mit den weitschweifigen Sätzen voller "würde-Fügungen" aus, dass der Roman letztendlich Castro zu Grabe trägt, obwohl dieser noch als Zombie durch die Weltgeschichte braust.

Didier Goupil, Castro ist tot. Roman. A. d. Französ. von Ines Schütz.
Innsbruck: Haymon 2009. 120 Seiten. EUR 14,90. ISBN 978-85218-584-2.

 

Weiterführende Links:
Didier Goupil, Castro ist tot.
Wikipedia: Didier Goupil

 

Helmuth Schönauer, 24-03-2009

Bibliographie

AutorIn

Didier Goupil

Buchtitel

Castro ist tot

Originaltitel

Castro est mort

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Haymon

Übersetzung

Ines Schütz

Seitenzahl

120

Preis in EUR

14,90

ISBN

8-85218-584-2

Kurzbiographie AutorIn

Didier Goupil, Castro ist tot. Roman. A. d. Französ. von Ines Schütz.