Annie Proulx, Hier hats mir immer schon gefallen

Buch-CoverDamit eine Geschichte funktioniert und uns am Lagerfeuer der Lektüre vom Hocker reißt, braucht es eine gewisse Plausibilität und jede Menge Mythos.

Annie Proulx hat sich für diesen Zweck den Mythos Wyoming ausgewählt, worin sie laut Klappentext in ihren Büchern manchmal authentisch lebt. Je entlegener die Gegend, umso mehr Mythen haben darin Platz. Und ihr Erzähl-Konzept funktioniert gnadenlos.

Zum Beispiel in der ersten Geschichte der neuen (dritten) Wyoming-Sammlung. Ein Altersheim liegt in einer geographisch singulären Gegend, die einen fast an die goldenen  Worte der Bürgermeisterin von Innsbruck denken und glauben lässt: Andere müssen dafür zahlen, worin wir wohnen.

Kurzum in einer literarisch perfekt installierten Hyper-Gegend steht das Altersheim, und wem diese Extremität des Daseins nicht passt, der kann sich immer noch an das Wetter halten, wo es bei einem Fenster hell ist und beim anderen dunkel. Die Wetter-Scheide steht wieder einmal über dem Dach-Giebel.

Darunter eingelagert sind viele Frauen, fett und abgelagert, oder frech und aufsässig. Sie alle haben nur eines im Sinn, eine seltene Gattung Mensch zu erlangen, die alter Mann heißt.

Eine Betreuerin hat nichts Längeres vor in diesem komischen Gelände, aber sie hilft der Erzählung durch die Gesprächsfetzen und organisiert etwas, was nicht umsonst "Familiensinn" heißt. Ein Bewohner outet sich bei jeder Gelegenheit als ehemaliger Ranch-Arbeiter und will ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd. So nebenbei rollt er das ideale Leben auf, es ist ideal formuliert das gelungene Wechselspiel zwischen seinem und dem Ablauf der nicht vorhandenen Gesellschaft. Ständig liegt eine Verstörung am Erzählteppich, der sagt ja ganz was anders, als passiert ist.

Leser fragen immer gegen den Sinn einer Erzählung! - Kann man als Leser diese Geschichte umlegen auf die geistig mindestens so wie Wyoming entlegene Gegend von Mitteleuropa? Könnte diese Geschichte in unserer Lese-Empathie auch als "Hochzirl" funktionieren?

Die Defizite unserer Alters-Vorstellung und deren mühsame Heroisierung gleichen einem Horrorfilm mit gelben Zähnen im Gesicht und unendlichen Dingen am anderen Ende des alternden Körpers. Annie Proulx erzählt in diesem Opener des Dritten Bandes aus Wyoming von einem völlig vermengten Durchschuss aus Familiengeschichte und Allgemeingeschichte. In der Provinz gibt es offensichtlich nur Familiengeschichte und Erinnerungen aus suggestiven Fotoalben.

Inhalt der Wyoming Stories 3:

Familensinn (11) / Hier hats mir schon immer gefallen (47) [Die schwächste Geschichte über einen Teufel, aber offensichtlich auf Deutsch die beste Fügung] / Diese alten Cowboylieder (59) / Der Beifußstrauch (97) / Great Divide ( 111) / Die Bisonjagd (143) /Fauler Zauber (155) / Das testamento (171) / Bis zum Hals in der Patsche (203)

Annie Proulx, Hier hat's mir schon immer gefallen. [Orig.: Fine Just the Way It Is, New York 2008]. A. d. Amerikan. von Melanie Walz.
München: Luchterhand Literaturverlag 2009. 253 Seiten. EUR 18,50. ISBN 978-3-630-87286-5.

 

Weiterführende Links:
Luchterhand-Verlag: Annie Proulx, Hier hat‘s mir schon immer gefallen
Wikipedia: Annie Proulx

 

Helmuth Schönauer, 15-04-2009

Bibliographie

AutorIn

Annie Proulx

Buchtitel

Hier hats mir immer schon gefallen

Originaltitel

Fine Just the Way It Is

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Luchterhand Literaturverlag

Übersetzung

Melanie Walz

Seitenzahl

253

Preis in EUR

18,50

ISBN

978-3-630-87286-5

Kurzbiographie AutorIn

Annie Proulx, geb. 1935 in Connecticut, lebt in Denver und Wyoming.<br /><br /> Melanie Walz, geb. 1953 in Essen, lebt in Essen.