Lorenz Langenegger, Hier im Regen
In der Literatur gibt es eine eigene Kategorie von Regen-Romanen, darin wird alles hinter einem Guss aus Wasser erzählt, die Konturen der Helden sind naturgemäß mit der Umwelt verflossen und die Seele der Figuren zieht sich dabei auf das Erbärmlichste zusammen und verkriecht sich unter der eigenen nassen Haut.
Bei Lorenz Langenegger regnet es den ganzen Roman hindurch, und der Titel Hier im Regen evoziert die Redewendung im Regen stehen lassen.
Der Held Jakob Walter ist mehrfach im Regen stehen gelassen worden, zum einen, weil er in Bern lebt und dem biederen Beruf eines Sachbearbeiters für Steuersachen nachgeht. Dann lässt ihn just am Nationalfeiertag die Frau hängen, weil sie zu ihren Eltern fährt, und zu allem Unglück ist auch der Wirt der Überlebenskneipe offensichtlich ins Wasser gegangen und hat seine Kneip-Kundschaft im Regen stehen gelassen.
Es regnet und regnet, Jakob Walter (meist nur Walter genannte) weiß nichts mit sich anzufangen, scheitert beim Versuch, ein Halbpreis-Ticket für die Bahn zu kaufen und fährt dann als Vollpreis-Fahrgast zuerst nach Zürich, wo er einfach eine Stunde lang unauffällig auf den nächsten Zug wartet, und anschließend nach Locarno. Locarno ist auch so ein Zufallsprodukt, genauso gut hätte es sich zu einem Bauerndorf entwickeln können, wenn jemandem nicht die Idee zum Bau eines grandiosen Hauptplatzes gekommen wäre.
In Locarno läuft er unguten Bekannten über den Weg und muss bei denen übernachten, am nächsten Tag sieht man im Fernsehen, wie Bern gerade überschwemmt wird.
Jetzt rast Walter wieder zurück nach Bern, er hat offensichtlich eine Verkühlung ausgefasst, schnell ins Bett, und als seine Frau von ihren Eltern zurückkommt, behauptet er, die Wohnung nie verlassen zu haben.
Lorenz Langenegger erzählt mit schweizerischer Hingabe und Liebe zum pingeligen Detail von einem unauffälligen Helden, der von einer Kleinigkeit in die nächste gerissen wird. Und auch bei großen Themen wie dem Tod des Wirten ist nicht immer klar, was ist Angst, Psychose, Wahnvorstellung oder künstliches Aufschüttmaterial für einen Albtraum.
Und seitenweise gibt es Erkenntnisse zur Welt, die das scheinbar fade Leben dann doch mit Abenteuersaft durchtränken. Vielen Menschenreicht die Möglichkeit wegzufahren, um an einem Ort zu bleiben. (19) oder Gute Kneipen müssen immer ums Eck gehen. Held Walter fasst auch sein Leben, das letztlich jeweils auf ein Wochenende beschränkt ist, zusammen mit der Erkenntnis: Es ist ihm unangenehm, wenn er gezwungen wird, Handlungen zu erklären, für die es keine Erklärung gibt. (91)
Und gleichzeitig gibt es Regen, Regen und Regen, der mit jeder Seite abenteuerlicher und inniger wird.
Lorenz Langenegger, Hier im Regen. Roman.
Salzburg: Jung und Jung 2009. 166 Seiten. EUR 20,-. ISBN 978-3-902497-50-5.
Weiterführende Links:
Jung und Jung-Verlag: Lorenz Langenegger, Hier im Regen