Kurt Fallnbügl, Wo Gott wohnt

Buch-CoverJede Literatur ist letztlich Reiseliteratur, denn es gibt nichts anderes auf der Welt zu erzählen, als wie Menschen zu sich, zu anderen oder sonst wohin unterwegs sind.

Kurt Fallnbügl erzählt wild und wüst von der ganzen Welt, weshalb er seiner Literatur die Struktur von Reisebeschreibungen unterlegt. In Wirklichkeit ist dieser Essay ein phantastisches Stück Text über Gott und die Welt, weshalb das Erzählunternehmen auch augenzwinkernd heißt: Wo Gott wohnt.

Gott wohnt natürlich überall, bei Kurt Fallnbügel taucht er direkt oder in direkt in Kuba, Chile, Südafrika, Neuseeland, Südostasien, Brasilien, Kap Verde und Indien auf. Mit Gott ist einerseits eine Fiktion gemeint, denen in den entsprechenden Ländern gehuldigt wird, andererseits reist der Ich-Erzähler durchaus wie Gott durch die Welt. Dieser Erzähler ist Österreicher, der mit breitem Dialekt und ungewöhnlicher Sprachstruktur zuerst einmal seine eigene Sichtweise über das jeweils zu Sehende überstülpt, ehe er dann in Dialogen, Gelagen und Reflexionsphasen sein Österreicher-Bild und jenes von der Welt relativiert.

Die üblichen Vorurteile entwickeln sich gepaart mit Reiseritualen aus diversen Ondits zu einem selbständigen Sprachereignis, dem der Erzähler oft nur noch betroffen hinten drein sehen kann. Die Sprache der Kolonialherrn geht fließend über in jene der Kronenzeitung, was sich ein biederes Wiener-Hirn am inneren Stammtisch so denkt, trifft auf die offizielle Geschichtsschreibung, die Erlebnisse eines Reisenden kollabieren noch am gleichen Abend, wenn dem Touristen ein dementsprechend illuminierter Einheimischer gegenübersitzt.

Die dargestellten Länder werden nicht geschönt dargestellt, im Gegenteil, oft hat man den Eindruck, dass das rezipierende goldene Wiener-Herz überall auf der Welt in schamlos verkürzt denkender Weise auftauchen kann.

Da gibt es ständig erotische Dinge zu beäugen, die Tipps, die Touristen einander zustecken, erweisen sich oft als Schrott, andererseits tun sich ununterbrochen Überraschungen auf. So empfindet es ein Brasilianer, dessen Nation schon ein paar Jahre auf den Buckel hat, ziemlich witzig, wenn ein Österreicher von seiner Nation spricht, die ja eine der jüngsten der Weltgeschichte ist.

Die einzelnen Länder sind durchnummeriert, wie in Wittgensteins Tractatus fügt sich eine Erkenntnis an die nächste, und alles hat nur einen Zweck: Die vorgefertigten Gedankengebäude zum Einsturz zu bringen.

Kurt Fallnbügl fetzt mit seinem reisenden Ich ordentlich um die Welt, und nichts ist so, wie sich das ein trivialer Tourist vorstellt. - Ein gnadenlos philosophisches Werk!

Kurt Fallnbügl, Wo Gott wohnt. Essay. Mit einem Nachwort von Elfriede Jelinek.
Innsbruck: Kyrene 2009. 312 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-900009-59-5.

 

Helmuth Schönauer, 18-01-2010

Bibliographie

AutorIn

Kurt Fallnbügl

Buchtitel

Wo Gott wohnt

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Kyrene

Seitenzahl

312

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-900009-59-5

Kurzbiographie AutorIn

Kurt Fallnbügl, geb. 1957, lebt als Taxilenker in Wien.