Hans Augustin, Aufzeichnung einer Täuschung

Buch-CoverVielleicht ist alles nur eine gigantische Täuschung, die Literatur, die Religion, die Träume, die Realität.

Hans Augustin führt seinen Roman immer wieder an große Täuschungen heran, wobei Vortäuschungen und Enttäuschungen nur kleine Abwechslungen in jenem großen Programm sind, das da heißt: In der Fiktion ist alles möglich, aber vielleicht steht alles auf wackeligen Beinen.

Im ersten Teil krabbeln ein Mann und eine Frau auf einen Berg, den sie aber vorerst nicht erreichen. Von der Frau erfahren wir nur, dass sie mitgeht, vom erzählenden Mann schimmert zwischen den Zeilen durch, dass er wie alle Bergsteiger ein Aussteiger ist. Plötzlich verschwindet in der Höhenluft die Welt, alles wird zeitlos, der Lebenssinn, wenn es einen gibt, besteht im Durchhalten in der Zeitlosigkeit.

Die beiden besteigen noch einen Berg, der sich aber als Täuschung erweist und überwintern dann in einer Hütte. Offensichtlich dauert dieser Zustand mehrere Monate, denn sie beginnen mit einem Schweizermesser Gras zu schneiden, zu schnitzen und sich mit stumpfer Klinge durch das Leben zu "säbeln". Als die Klinge dieses Messers bricht, wird es Zeit, eine Alternative zu suchen.

Im zweiten Teil gelangen die beiden in einen ausgestorbenen Landesteil, die Betenden sitzen als Skelette in einer Kirche und in einem aufgelassenen Gehöft ist sogar der Kalender vor zwanzig Jahren stehen geblieben. Jetzt bringt die Frau zwei Buben zur Welt, die Kain und Abel genannt werden.

War es überhaupt eine Welt, in der wir lebten? Oder doch nur eine Einbildung, eine Täuschung, eine Phantasmagorie? Worin bestand diese Welt? Aus dem, was wir sehen konnten und zu verstehen glaubten, oder gab es darüber hinaus noch eine Dimension, die nicht zu benennen war? (51)

Die Welt entlegene Überlebensidylle spielt sich jetzt als Familie ab, und der Vater kann gerade noch verhindern, dass sich seine Buben abstechen, worauf hin Kain in die weite Welt hinaus zieht, während der Vater immer kraftloser seine Story aufschreibt.

Im Schlussteil kommt Kain noch einmal kurz daheim vorbei, findet die Aufzeichnungen des Vaters und träumt von der Erlösung durch ein verzeihendes Kind.

Aufzeichnung einer Täuschung zitiert elegant eine Bergsteigergeschichte, die stumme Überlebenswelt der "Wand" von Marlen Haushofer und die verzweifelten Gewißheits-Einschübe eines Wittgenstein. Aber beinahe jeder Satz könnte eine Täuschung sein, jedes Zitat eine Irreführung. So entsteht ein langsamer, atemberaubender Roman, bei dem sich allmählich eine Welt auftut, von der wir alle zusammen nichts wissen.

Hans Augustin, Aufzeichnung einer Täuschung. Roman.
Innsbruck: Kyrene 2010. 84 Seiten. EUR 12,90. ISBN 978-3-900009-65-6

 

Weiterführende Links:
Kyrene-Verlag: lieferbare Bücher
Wikipedia: Hans Augustin

 

Helmuth Schönauer, 21-06-2010

Bibliographie

AutorIn

Hans Augustin

Buchtitel

Aufzeichnung einer Täuschung

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Kyrene

Seitenzahl

84

Preis in EUR

12,90

ISBN

978-3-900009-65-6

Kurzbiographie AutorIn

Hans Augustin, geb. 1949 in Salzburg, lebt in Thaur.