Markus Bauer, In Rumänien

Buch-CoverWunderschöne Biolandschaften, große Eier, saftige Tomaten, subtiler Lebensstil - Rumänien verkauft sich in der EU mit einer Vielfalt an Raritäten und Schönheiten.

Markus Bauer greift in seinen Rumänien-Essays diese Klischees auf, um gleich darauf die Hinterseite zu erzählen. Er selbst lebte fünf Jahre lang als Lektor in der Kulturstadt Iasi (rumänisch Heidelberg). Aus dieser Erfahrung legt er seine faszinierenden Beschreibungen und historischen Analysen an.

Für ein so komplexes wie aufregendes Staatsgebilde wie Rumänien braucht es zwei Achsen der Beschreibung, meint der Autor. Die eine Achse ist die Stadt Iasi, die Hauptstadt des ehemaligen Fürstentums Moldau, die zweite Beschreibungsachse führt zum Dichter Mihail Eminescu, der quasi im Alleingang die Selbstfindung Rumäniens im 19 Jahrhundert anhand der Literatur forcierte. Er gilt auch als der "Erfinder" der modernen rumänischen Sprache.

In fünf Kapiteln werden die Besonderheiten Rumäniens dargelegt. Das Verhältnis Stadt - Land ist ein wesentliches Merkmal Rumäniens. Einerseits sind die Städte oft luftig aufgebaut wie Dörfer, andererseits gliedern sich Dörfer wie Wehranlagen oder kulturelle Monumente um sich selbst. Der Architekturwahnsinn der Ceausescus, die aus einem kleinen Dorf südlich von Bukarest stammten, erklärt auf wahnsinnige Weise dieses Stadt-Land-Gefüge. Eine besondere historische Umgangsform durchaus negativer Art bildeten die ständigen Reibereien zwischen Bauern und den Bojaren, den Großgrundbesitzerm.

Wo der Mythos wilder Gegenden liegt, setzt der Autor eine kulturelle Topographie drauf. Seine Überlegung: Alle diese Bilder von entlegenen Kulturlandschaften funktionieren nur, wenn darüber eine kulturelle Folie gelegt ist.

Eine wichtige Station in der Geschichte Rumäniens bildet das Shtetl, seine jüdischen Kulturmenschen und die Pogrome, wovon einer der größten in Iasi stattfand.

Anhand der Minderheiten lässt sich ein Land am ehesten beschreiben. Für Rumänien änderte sich je nach historischer Lage ständig das Verhältnis zu den Minderheiten untereinander, wer eben noch das Sagen hatte, war plötzlich eine Randerscheinung, wer eben noch am Rand war, hatte plötzlich die Mehrheit. An der recht aufschlussreichen Geschichte des rumänischen Eisenbahnbaues lässt sich übrigens von oben her feststellen, wie unten die Verhältnisse waren. Kaum investierte eine Gesellschaft in eine wirtschaftliche Situation, war diese schon wieder obsolet.

Mythos und Geschichte heißt schließlich das letzte Kapitel, worin der Autor unter dem Eintrag "Feststellung der Tatsachen" einen Schnitt durch die heutige Situation legt.

Aus all diesen Kapiteln ergibt sich so nebenbei eine Geschichte des Judentums in Rumänien, ohne dass sie jeweils in den Vordergrund drängte.

Markus Bauers In Rumänien ist eine kühle, aufregende Geschichtsschreibung der ungewöhnlichen Art. Manchmal ein Reiseführer, dann wieder politisches Alltagsjournal, so scheibt ein Intimkenner von außen und innen zugleich. - Ein Meilenstein für aktuelle Geschichtsschreibung!

Markus Bauer, In Rumänien. Auf den Spuren einer europäischen Verwandtschaft.
Berlin: Transit Buchverlag 2009. 174 Seiten. EUR 16,80. ISBN 978-3-88747-238-2.

 

Weiterführende Links:
Transit-Buchverlag: Markus Bauer, In Rumänien

 

Helmuth Schönauer, 22-07-2010

Bibliographie

AutorIn

Markus Bauer

Buchtitel

In Rumänien. Auf den Spuren einer europäischen Verwandtschaft

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Transit Buchverlag

Seitenzahl

174

Preis in EUR

16,80

ISBN

978-3-88747-238-2

Kurzbiographie AutorIn

Markus Bauer, geb. 1959, lebt in Selbach/Nahe.