Philip Roth, Die Demütigung

Buch-CoverEin heftiges Leben gleicht immer auch einer heftigen Schauspieler-Karriere, worin einem die Super-Rollen nur so in die Hand purzeln. Aber wer gut schau spielt, bei dem wendet sich oft auch das Leben ab.

Philip Roth, der Meister für Krisen, Wahnsinn und Sinn-Demenz schickt im Roman Die Demütigung den Schauspieler Simon Axler in die kreative Wüste, um in dann inklusive Suizid restlos abzumontieren. Die Hinrichtung geschieht in drei Stufen.

Aufgelöst in Luft (7) heißt das erste Drittel, worin von der Krise des Schauspielers die Rede ist. Quasi von einem Augenblick auf den nächsten empfindet Axler alles lächerlich, nennt sich eine Selbst-Travestie und bringt keinen Schritt mehr auf die Bühne, geschweige denn einen Satz heraus. In der Psychiatrie werden alle sediert und gleichzeitig beschäftigt, damit niemand auf die Idee kommt, in eine Depression zu verfallen. Eine Frau, die unter dem Schock der Schändung des eigenen Kindes durch ihren Mann steht, bittet Axel, diesen zu erschießen. Aber nicht einmal dazu ist der alternde Schauspieler momentan im Stande.

Die Verwandlung (47), ein nicht umsonst an Kafka erinnernder Abschnitt, bringt den alternden Mann wieder auf die Bühne, wenn auch auf die sexuelle. Die Tochter seines Freundes, die er zuletzt als Säugling gesehen hat, ist inzwischen frustrierte Lesbin geworden und nimmt von dieser Sexualpraktik eine Auszeit, um sich ganz den sexuellen Bedürfnissen des älteren Herrn zu widmen.

"Bist du immer so berechnend?" - "Das ist keine Berechnung. Es ist das Streben nach dem, was man will. Und", fügte sie hinzu,  "das Nichtstreben nach dem, was man nicht mehr will." (58)

Der letzte Akt (91) führt wie in der Dramaturgie üblich geradewegs in die Katharsis und in den Untergang. Gerade als sich Axler für eine späte Vaterschaft untersuchen lässt, wird er nach einem wilden Sexual-Ritt zu dritt von seiner Geliebten verlassen. Offensichtlich hat er die Alterszügel aus der Hand gegeben. Stundenlang irrt er im Haus umher und überlegt eine theatralische Pose, in der er aufgefunden werden möchte.

Aber in seiner Auftritts-Phobie ist er nicht einmal zum Suizid fähig. Erst als ihm einfällt, dass seine Kollegin aus der Psychiatrie mittlerweile ihren Kinderschänder-Mann erschossen hat, bringt er den letzten Akt über die Bühne. Freilich findet die Putzfrau noch ein schönes Zitat aus Cechovs Die Möwe neben dem Toten: "Die Sache ist die: Konstantin Gawrilowitsch hat sich erschossen." (138) - Jetzt ist wieder Ruhe im Stück.

Philip Roths Roman Die Demütigung ist eine grandiose Abrechnung mit Schauspielkunst und Theaterwesen, eine subtile Studie über die sexuellen Leiden älterer Männer und eine schroffe Beschreibung jenes Sehnsuchtsstückes, das wir alle zu Lebzeiten nie auf die Bühne der Beziehung bringen.

Philip Roth, Die Demütigung. Roman. A. d. Amerikan. von Dirk van Gunsteren. [Orig.: The Humbling; Boston 2009].
München: Hanser 2010. 137 Seiten. EUR 16,40. ISBN 978-3-446-23493-2.

 

Weiterführende Links:

Wikipedia: Philip Roth
Hanser-Verlag: Philip Roth, Die Demütigung

 

Helmuth Schönauer, 03-08-2010

Bibliographie

AutorIn

Philip Roth

Buchtitel

Die Demütigung

Originaltitel

The Humbling

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Hanser

Übersetzung

Dirk van Gunsteren

Seitenzahl

137

Preis in EUR

16,40

ISBN

978-3-446-23493-2

Kurzbiographie AutorIn

Philip Roth, geb. 1933, lebt in New Jersey.