Gunter Dueck, Aufbrechen!

Buch-CoverDer Befehl "Aufbrechen!" ist sehr ermunternd, besagt er doch, dass man seinen Hintern in die Höhe lüpfen und sich einerseits auf den Weg machen soll und andererseits das bestehende System aufknacken muss.

Offensichtlich gibt es in jeder Gesellschaft einen gewissen Aufbruchs-Quotienten, der sich dann jeweils in Aufbruchs-Büchern niederschlägt.

Für das Jahr 2010 hat unter anderem der IBM-Cheftechnologe Gunter Dueck diesen Fußtritt übernommen, mit der die Gesellschaft nach vorne in die Zukunft geschoben werden soll.

Beeindruckend ist auf den ersten Blick die Beschreibung der Gegenwart. Die Dienstleistungsgesellschaft ist an ein Ende gekommen. Als Faustregel kann man annehmen, dass jede Minute Gespräch einen Euro kostet. Wer also mit dem Kellner zwei Minuten um die Verfassung der Pizza diskutiert, frisst praktisch dessen Gewinn. Wer eine halbe Stunde am Handy quasselt, verbraucht jede Menge Dienstleistungspotential.

Immer mehr hochqualifizierte Menschen müssen immer mehr triviale Arbeit machen, nur ganz wenige machen in der Gesellschaft Premium-Arbeit und etwas Kreatives.

Der Autor empfiehlt, weg von dieser Dienstleistungsgesellschaft, deren Schere zwischen primitiver und hochentwickelter Arbeit sich immer mehr auftut, und hin zu einer Exzellenzgesellschaft. Darin sind so gut wie alle Teilnehmer bestens ausgebildet, verlagern die primitiven Arbeiten in den digital gesteuerten Bereich und haben Zeit für Kultur, Muße und Lebenssinn.

Dabei kommen der Bildung und der Elektronik Schlüsselpositionen zu. Sagenhaft, was man künftig im Internet alles erledigen kann, als Mensch braucht man nur den Touch-Screen zu berühren und schon ist alles erledigt.

Geradezu humorvoll geil wirkt dabei das digitale Bordell, in dem menschenähnliche Bodies mit Körpertemperatur und Echthaar nach Einschieben eines Chips die sexuelle Arbeit erledigen.

Die Forderungen für die Zukunft halten sich auch bei Gunter Dueck in intellektuell überschaubare Grenzen und schrumpfen meist auf Schlagworte zusammen. Mehr Bildung, no na, bessere Förderung, es müsse die Kluft zwischen Erfindung und Anwendung aufgehoben werden, der Mensch müsse wieder universell gebildet seine Dinge durchziehen, von der Invention zur Innovation. Also nicht nur etwas erfinden, sondern auch durchziehen. Datenhighways statt Fernstraßen!

Was die Kultur dann soll, außer dass sie positiv besetzt ist, erklärt der IBM-Mann nicht. Das ist ja offensichtlich der Schwachpunkt der EDV-itis: die Systeme werden immer schöner, schneller und erotischer, aber der Inhalt wird immer dünner. Letztlich gleichen EDV und Internet der "Maschin von Qualtinger": Ich weiß zwar nicht, wo ich hinfahr, dafür bin ich schneller dort.

Gunter Duecks Schlusskapitel ist dann doch ziemlich revolutionär: Wir müssen in einem Schnall umdenken und nicht zitzerlweise. Ja, die Lauen spuckt der Herr aus, heißt es in einem alten, noch mit Menschenhand geschriebenen Text.

Gunter Dueck, AUFBRECHEN! Warum wir eine Exzellenzgesellschaft werden müssen.
Frankfurt/M: Eichborn 2010. 223 Seiten. EUR 20,60. ISBN 978-3-8218-6514-0.

 

Helmuth Schönauer, 21-09-2010

Bibliographie

AutorIn

Gunter Dueck

Buchtitel

Aufbrechen!

Erscheinungsort

Frankfurt

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Eichborn

Seitenzahl

223

Preis in EUR

20,60

ISBN

978-3-8218-6514-0

Kurzbiographie AutorIn

Gunter Dueck, geb. 1951, ist Cheftechnologe bei IBM Deutschland.