Herbert Rosendorfer, Letzte Mahlzeiten

Buch-CoverEs gibt so gut wie keinen Anlass, zu dem man nicht essen könnte. Und der Körper kennt keine noch so wilde Verrenkung oder Stellung, in der sich nicht ein Menü einführen ließe.

So ist es kein Wunder, dass Herbert Rosendorfer, der Meister für extreme Situationen, einen lukullischen Hinrichtungsführer geschrieben hat.

Das heißt, der Autor hat siebzehn extreme Hinrichtungen imaginiert, der Hauben-Koch Herbert Hintner hat dazu prächtige Todesmenüs entworfen und durch die Fotographien skurril-schnittiger Gesichter aus dem Innsbrucker Ferdinandeum entsteht eine ergreifende Henkers-Feinschmeck-Kunst, die an Authentizität nichts zu wünschen übrig lässt.

Die einzelnen Delinquenten haben oft kreative Verbrechen begangen, die nur durch die Todesstrafe halbwegs in die Ordnung der Welt eingebettet werden können. So erfindet Schlotterweiß die Spätlicht-Trilogie, die aus Blasen und Saugen besteht und nur auf der Toilette ausgestellt werden kann. Aber das Todesurteil geht auf eine ungewöhnliche Verwechslung mit einem Serienbetrüger zurück, dennoch wird es nach einer Henkersmahlzeit mit Bärlauch-Suppe und Heidelbeerschmarren vollstreckt.

Ein Kleinhäusler-Sohn aus dem Bayerischen Wald erfindet elegante Himmelfahrten, mit denen die Besatzungen ganzer Klöster ins Jenseits geschickt werden können. Auch er ist ein Fall für den Henker.

In den Alpen treibt um die Jahrhundertwende eine Bande ihr Unwesen, die sich auf den Missbrauch der Alpen spezialisiert hat. In diesem Falle wird das letzte Gericht opulent aufgetischt, ehe sieben Mal das Fallbeil fällt.

Die skurrilen Fälle zeigen eindrucksvoll, dass Genie und Verbrechen nahe beisammen liegen. Etwas kann in einem Landstrich als ehrenwerte Erfindung durchgehen, während es in einer anderen Gegend für den Tod reicht. Jedes Verbrechen ist allerdings eine Herausforderung für den Hauben-Koch, der ja auch im Alltag ständig für Verbrecher aus der höheren Society grandios aufkochen muss. Und die "Pass-Fotos" der Delinquenten gleichen durchaus Heroen aus der Sport- Berg- oder Politikszene.

Herbert Rosendorfers Fälle liegen jeweils auf der Kippe der gerade noch Glaubwürdigkeit. Während die Erfinderin der Mittel-Majuskel, also der Unsitte des großen "I" mitten im Wort, durchaus ein Verbrechen an der Sprachwürdigkeit begeht, wird der Erfinder des Schilaufs eher zu scharf verurteilt, wenn der wegen Alpenvergewaltigung ins Gras beißen muss.

Aber das Verbrechen ist dem allgemeinen Wissensstand der Gesellschaft immer einen Schritt voraus, das beweisen Rosendorfers Fälle. Und ein kreativer Koch kann nie verrückt genug kochen, die Delinquenten verspeisen die Henkersmahlzeiten jeweils mit subtilem Genuss. Nur ein alpiner Sexualtäter will zum Menü noch einmal den Kamasutra durchblättern. (81)

Letzte Mahlzeiten nehmen den Ausdruck von Hauben-Köchen wörtlich: Auf Leben und Tod kochen!

Herbert Rosendorfer, Letzte Mahlzeiten. Die Aufzeichnungen des königlich bayerischen Henkers Bartholomäus Ratzenhammer. Mit alten Rezepten neu interpretiert von Herbert Hintner.
Wien, Bozen: folio 2010. 130 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-85256-529-3.

 

Helmuth Schönauer, 22-09-2010

Bibliographie

AutorIn

Herbert Rosendorfer

Buchtitel

Letzte Mahlzeiten

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

folio

Seitenzahl

130

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-85256-529-3

Kurzbiographie AutorIn

Herbert Rosendorfer, geb. 1934 in Bozen, lebt seit 1997 in Eppan.

Herbert Hintner ist hochdekorierter Koch in Eppan.