Egyd Gstättner, Klagenfurt

Buch-CoverAuch wenn in einer Stadt absolut nichts los ist, eignet sie sich immer noch als ideales Übungsgelände für einen literarischen Stadtführer.

Egyd Gstättner und Klagenfurt - das ist von vorne herein eine höchst literarische Geschichte. Während alle, die des Lesens und Schreibens mächtig sind, aus der Stadt fortgezogen sind, ist Egyd Gstättner in Klagenfurt geblieben und wird mittlerweile für jeden Satz, auch wenn er noch so schmerzt, von den Klagenfurtern und Literaturkennern geschätzt.

Der Profi beginnt seine Stadtführung am Friedhof, der in Klagenfurt gleich neben dem Flughafen liegt. Als Leser wird man nach der Landung bei der Hand genommen und nach dem Friedhof, auf dem von den interessanten Menschen eigentlich nur Ingeborg Bachmann gegen ihren Willen hier unter Hofräten und Beamten liegt, durch die Stadt geführt.

Zu diesem Zweck hat der Autor zwei U-Bahn-Linien erfunden, die kreuzweise angelegt sind und als Endstationen so tolle Einrichtungen wie den Flughafen oder Jörgs End haben. Dabei handelt es sich um jene mit einer Lavazunge von Kerzen ausgeleckten Gedenkstätte, an der der größte Landeshauptmann aller Zeiten mit dem größten denkbaren Rausch sich zu Tode gefahren hat.

Während der auf zwei Tage angelegten Durchschlenderung Klagenfurts kommen architektonische Besonderheiten zum Vorschein, wie etwa dass der Ring viereckig ist, und wahrnehmungsspezifische Details, wie etwa dass der Bachmannpreis nur fürs Fernsehen stattfindet und daher überall sein literarisches Wettlesen abführen könnte.

Dass Minimundus oft mit der Universität verwechselt wird, ist ein Gerücht, aber ein sinnvolles. Der heimliche Star der Stadt nämlich sind die Rotjacken, bei denen ganze Clans von sogenannten "Niggs" seit Generationen dem Puck nachjagen.

Die unzähligen Skurrilitäten schreibt Egyd Gstättner aus einem Guss in die Seiten, die guten und die schlechten Persönlichkeiten werden fett herausgehoben. Einzig beim ehemaligen Finanzminister, dessen Hirn vor Schönheit erstarrt ist, weigert sich der Autor, den Namen zu nennen.

Sonst kommt es zu allerhand Show-Downs wie etwa im Volkskeller, wo der Lehrer Franz Rieser auf den Ex-Lehrer Leopold Wagner einen Bauchschuss abgefeuert und getroffen hat.
Alle diese Geschichten sind in diversen literarischen Büchern ausgefeilt vorhanden, diese Buchliste ist als der wahre Stadtplan Klagenfurts im Hinterteil abgedruckt.

Das Hauptthema Klagenfurts ist immer Schein und Sein, Weltflair und Provinz. So darf man sich unter der Klagenfurter Sir-Karl-Popper-Bibliothek nicht Werke des Philosophen vorstellen sondern ein paar seiner Bücher, in die er vielleicht das eine oder andere unterstrichen und "an den Rand geschrieben hat Jawohl, Super, Genau, Nein, Falsch, Schwachsinn!" (143)

Egyd Gstättners literarisches Klagenfurt ist natürlich um Häuser besser als das so genannte reale, aber um den Hintersinn des Autors halbwegs zu begreifen, sollte man als Leser einmal auch durch die reale Stadt gewandert sein, die tatsächlich an allen Ecken und Enden den Habitus von Provinz ausspuckt.

Egyd Gstättner, Klagenfurt. Literarisches Porträt einer Stadt. Mit Fotos von Egyd Gstättner.
Wien: Carinthia 2010. 199 Seiten. EUR 20,90. ISBN 978-3-85378-657-4.

 

Helmuth Schönauer, 15-12-2010

Bibliographie

AutorIn

Egyd Gstättner

Buchtitel

Klagenfurt

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Carinthia

Seitenzahl

199

Preis in EUR

20,90

ISBN

978-3-85378-657-4

Kurzbiographie AutorIn

Egyd Gstättner, geb. 1962 in Klagenfurt, lebt in Klagenfurt.