Antonio Fian, Man kann nicht alles wissen

Buch-Cover

Das Dramolett ist für alles, was in Österreich geschieht, die ideale Darstellungsform. Irgendwie klingt es nach Omelett, dabei ist es eher ein dramaturgischer Seufzer, weil der Stoff nicht für einen dramatischen Plot reicht.

Antonio Fian arbeitet sich wöchentlich mit seinen Standard-Dramoletten an Österreich heran und anschließend ab. Zu seufzen gibt es ständig etwas, die Themen liegen quasi auf der Straße.

Schon das Eingangsdramolett an der Ampel spielt alles aus, was Österreich bewegt. In Klagenfurt stehen zwei Männer an der Ampel und sagen mit entsprechenden Pausen die Standard-Floskeln "Griaßdi, und sunst, wol wol, woatn, jojo". (5)

Aber nicht nur das gemeine Volk ist auf der philosophischen Höhe, wenn es das Verrecken eines Handy-Akkus kommentiert oder die Olympiastadt Sotschi mit der Schwester Winnetous verwechselt, ganz staatstragend sitzen beispielsweise die ehemaligen Klub-Oberleute Khol und Westenthaler im Theaterstück "der zerbrochene Krug", wobei Westenthaler das Stück auf sich persönlich gemünzt lauthals kommentiert. Nur mit Mühe kann ihn der hoch (ein)gebildete Khol einbremsen.

Das ist kein Tatort. Das ist Weltliteratur. Da geht es um Sprache. Um Interpretation. Um Schauspielkunst. (22)


Im Titelgebenden Stück "Man kann nicht alles wissen" eskaliert ein Gespräch zwischen Gast und Wirt zum Nonsens. Der Gast freilich stellt eine philosophische Überlegung an:

Ich frage mich oft: Wenn wir am Schwanz Augen hätten, wären wir dann glücklicher oder unglücklicher? (12)

In den etwa achtzig Dramoletten tritt so gut wie alles auf, was in den letzten drei Jahren ein Interview gegeben, Minister gewesen ist oder einen Furz gelassen hat. Es ist erstaunlich, wie kleindramatisch diese österreichischen Figuren freiwillig agieren. Der einzige, der diese kümmerlichen Gedankenträger am Leben erhält ist Antonio Fian, der selbst der blödesten Figur noch einen Minimalsinn einhaucht.

Am Schluss ist ein abendfüllendes Bonus-Drama abgedruckt. "Hennir", was auf Deutsch so viel wie "wiehern" heißen kann, geht davon aus, dass am Theater alles Zufall ist. Statt der Regieanweisung und der Besetzungsliste gibt es daher ein "Schmecks", worin alles erlaubt ist. Tatsächlich will eine Schauspielerin, die auf Pferdestimmen spezialisiert ist, gerade ihr Bestes geben, als aus Gründen von Sparmaßnamen das Wieher-Stück mit einer antiken Tragödie zusammengelegt werden muss, freilich pädagogisch wertvoll auffrisiert für Kids. Dem Pferdestück tut das keinen Abbruch, im Gegenteil, durch den Rotstift auf das Nichts zusammengestutzt, kommt es wunderbar zur Geltung.

Antonio Fian, der österreichische Grotesk-Meister, tobt sich wieder einmal am Höhepunkt seiner Schaffenskraft aus, gigantisch-dramolettisch!

Antonio Fian, Man kann nicht alles wissen. Dramolette V
Graz: Droschl 2011, 187 Seiten, 19,00 €, ISBN 978-3-85420-780-1

 

Helmuth Schönauer, 12-04-2011

Bibliographie

AutorIn

Antonio Fian

Buchtitel

Man kann nicht alles wissen

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Droschl

Seitenzahl

187

Preis in EUR

19,00

ISBN

978-3-85420-780-1

Kurzbiographie AutorIn

Antonio Fian, geb. 1956 in Klagenfurt, lebt in Wien.