Jürg Amann, Lebenslang Vogelzug

In der Literatur gibt es letztlich nur zwei Themen: Liebe und Tod. Wenn das Leben ausgeistert, fällt alles ab und diese beiden bleiben übrig.

Jürg Amann hat seinen letzten Gedichtband noch selbst geordnet, während er an dieser Schwelle zwischen Leben und Tod seine Gedichte sortiert hat. Die Themen dieses schmalen Werkes sind dann auch die herbstliche Liebe, Aufrufe, Gebete und Fragment-Sätze, und schließlich der pure Tod.

Traum // Im Traum verirrte ich mich. / Ich fand den Rückweg nicht mehr / zu den offenen Augen. / Jemand hatte sie mir zugedrückt. / Ich war tot. (69)

Die Liebe, die sich vom ersten Gedicht an durchzieht, richtet sich durchaus an die Geliebte, die nur selten handfest auftaucht, oft schiebt sie die Natur vor, einen weiten Blick hinaus über die Schulter auf das Hafenbecken. Oder der stumme Blick des Liebenden geht kurz nach oben, wo sich in diesen Augenblicken das Leben abspielt.

Lebenslang Vogelzug // Und Vögel fliegen Zeichen / in die Luft. Ein Rauch / steigt auf. Das Licht / geht unter. Gruft. (16)

Das lyrische Ich wird ständig ausgehebelt in allen Lagen, bizarre Wurzelstöcke stolpern in den Schritt, einmal stürzt sogar die Sonne samt ihrem Licht auf die Kreatur und löscht sie aus. Die Reisen sind eine Abschiedstour, worin sich die Erinnerungs-Stelen noch einmal aufrichten, ehe sie aus dem Blickfeld verschwinden.

In memoriam Anita Pichler // Venedig. Im Winter. Nacht. / Kalt. Kalt auch in uns, / wie ihr toter Landsmann / gesagt hätte, als er noch lebte. / Sie lebt noch. Wir / leben noch. Gerade. Am Rand. […] (52)

An diesem Rand steht der Betrachter, er hat Freundschaft geschlossen mit Anita Pichler und Norbert C. Kaser, jetzt fließt auch er in den Bottich der Erinnerung, worin sich die Lebenden und Toten tummeln.

Und dann wird es straff wie eine Gebrauchsanweisung:

Wenn // Wenn ich gehe, gehe / ich plötzlich, und ich / sage es niemandem, nicht / einmal dir, denn du / würdest mich halten. (67)

Jürg Amann, der feine langsame Subtile, der in einer Liebesgeschichte einmal die Figur so lange auf den Weg geschickt hat zu seiner Geliebten, bis beide nichts mehr von einander wissen, er hat sich auf den Weg gemacht wie immer, langsam, genau, sensibel.

Jürg Amann, Lebenslang Vogelzug. Gedichte.
Innsbruck: Haymon 2014. 70 Seiten. EUR 17,90. ISBN 978-3-7099-7134-5.

Weiterführende Links:
Haymon Verlag: Jürg Amann, Lebenslang Vogelzug
Wikipedia: Jürg Amann

Helmuth Schönauer, 09-04-2014