Texte zum Thema: Verschwindet das Land?

Welche Rolle spielt das Land, die Region als eigenständiger Lebens- und Wirtschaftsraum? Mit dem Themenschwerpunkt wie sich das Leben auf dem Land und die ländliche Region selbst in den letzten Jahrzehnten verändert hat, setzte sich das österreichische Internet-Magazin Aurora im Herbst/Winter 2004 in zahlreichen Beiträgen und Interviews auseinander.

Das Aurora-Magazin definiert sich selbst als offene Bühne für den niveauvollen Meinungs- und Gedankenaustausch?. Ein Großteil der veröffentlichten Beiträge stammt von den Lesern selbst, die hier die Möglichkeit erhalten, zu politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, gesellschaftlichen Themen zu äußern.

In insgesamt zehn Texten und Interviews äußern sich Autoren und interviewte Personen - zu denen übrigens auch der Tiroler Fritz Gurgiser zählt ? zum Themenschwerpunkt Verschwindet das Land?? Die Beiträge setzen sich vor allem mit dem ländlichen Alpenraum auseinander und zeigen auf, wie sehr sich gerade hier Landschafts-, Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen geändert haben, aber auch welche Gefahren und Veränderungen dem ländlichen Raum drohen.

Themenübersicht:

Sigmar Groeneveld: Vom Verschwinden des Landes? (Vorwort)

Vom Verschwinden des Landes zu sprechen ? das klingt verrückt. Und es ist tatsächlich etwas ganz Wesentliches ver-rückt, wenn Land verschwindet. Wie ist das überhaupt vorstellbar? Warum passiert das? Und wenn es zutrifft: hat dies nicht katastrophale Folgen ? für die auf dem Land lebenden Menschen ebenso wie für die Menschheit insgesamt? Diesen Fragen soll hier ein wenig nachgespürt werden.


Kaspanaze Simma: Für mehr bäuerlich-autonomes Leben und Wirtschaften?

Die Autonomie stärken, heißt für Kaspanaze Simma, zuerst die Potentiale, die in der Natur, in einem selbst, in den Nachbarn und in der Region stecken, auszuschöpfen, und erst dann ins Kaufhaus zu gehen.

Roswitha Huber: Das Brot vom Polzegg Toni?

Am Anfang war es selbstverständlich für jemanden wie den Polzegg Toni, Brotgetreide anzubauen, es zu mahlen und sich sein Brot selbst zu backen. Heute kommt sein Brot aus den Brotfabriken von Billa und Anker.

Werner Bätzing: Das größte Problem sehe ich darin, dass die Alpen verschwinden

Wenn es nicht bald einen grundsätzlichen Wandel in der Berglandwirtschafts-, Berggebiets- und Alpenpolitik gibt, dann verschwinden die Alpen als eigenständiger Lebens-, Wirtschafts- und Kulturraum. An seine Stelle werden Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen treten, die überall in Europa gleich sind.

Veronika Bennholdt-Thomsen: Wieso verteidigen die Bauern nicht ihr Eigenes??

Es gibt auf dem Land etwas zu verteidigen! Und im Gegensatz zur verbreiteten Sicht, sowohl in der Wissenschaft wie im ländlichen Denken, bäuerlich-handwerkliche Elemente als noch existierend, aber dem Untergang geweiht, zu betrachten, glaube ich an die dynamische Kraft derselben: die Haus-Hof-Wirtschaft auf den Betrieben; die landwirtschaftliche Kreislaufwirtschaft, die vielfach anzutreffen ist; die bäuerlichen Mischbetriebe; das Lebensmittelhandwerk des Landes; die handwerklich orientierten Fleischereien, Polstereien, Schreinereien; die gegenseitigen Hilfeleistungen; usw., alles das sind Elemente, deren Verschwinden man nicht einfach hinnehmen, sondern gegen deren Verschwinden man sich wehren sollte!

Manfred Flieser: Düstere Seiten der Globalisierung: Rohmilchkäse in Gefahr?

Nicht nur in Zeiten der Wirtschaftsflaute sind kleine bäuerliche und handwerkliche Lebensmittelerzeuger den Agrarindustriellen ein Dorn im Auge. Alles, was die Banalität industrieller Nahrung unterstreicht, wollen sie vom Markt verdrängen. Gesundheits- und Konsumentenschutzpolitik sagt man in Brüssel dazu, wenn Politiker Hand in Hand mit allmächtigen Konzernen - hochwertige, schmackhafte Lebensmittel per Gesetz ausrangieren wollen. Mit dem Vorwand, sich um die Gesundheit ihrer Bürger zu kümmern, wird die Masse manipuliert.

Fritz Messner: Liedtexte


V.l.n.r.: Kaspanaze Simma, Werner Bätzing, Manfred Flieser, Veronika Bennholdt-Thomsen und Fritz Gurgiser setzen sich in Beiträgen und Interviews mit den Veränderungen auseinander, denen der ländliche Raum ausgesetzt ist.


Werner Bätzing: Der Mensch scheint heute von der Angst getrieben, etwas zu verpassen

Der Urlaub in den Alpen ist (ebenso wie die Fahrt in den Süden) zu einem europäischen Kulturphänomen ersten Ranges geworden. Auch wenn sich seine Marktbedeutung seit Mitte der 1980iger aus verschiedenen Gründen verringert, ist er eine ganz wesentliche Realität und bedarf deshalb einer ständigen Neuorientierung und -bewertung.

Veronika Bennholdt-Thomsen: Ich kann die gegenseitigen Schuldzuweisungen von Stadt und Land nicht mehr hören

Die Beziehung zum Land ist gründlich gestört. Nun geht es aber gar nicht darum, das Land durch eine Imagekampagne aufzuwerten, sondern darum, es nicht länger abgetrennt zu betrachten. Unser aller Wurzeln stecken in der Erde, von daher kommt unsere Nahrung. Die Tatsache, dass dieses Bewusstsein immer mehr ausgemerzt wird, in der Stadt, wie auf dem Land, ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Fritz Gurgiser: Begrenzte Täler vertragen keinen unbegrenzten Verkehr

Die Periode des weiteren Infrastrukturbaus und der weiteren Liberalisierung des Transitverkehrs muss beendet werden, meint Fritz Gurgiser vom Transitforum Austria-Tirol, denn sie zerstört den regionalen Lebens- und Wirtschaftsraum. Jetzt muss endlich entgegengesteuert werden, oder wollen wir in Zukunft auf unsere Bäcker, Schlosser, Tischler, Metzger, Dorfwirte und viele andere verzichten und für Menschen, die kein Auto haben,  Einkaufen auf Rädern? organisieren? Die Gemeinden, Regionen und Länder müssen eine klare Entscheidung treffen: Will man mit den knapper werdenden Geldern weiterhin teure Infrastrukturen (Straße/Schiene) bauen oder will man die Wirtschaft fördern? Darum geht es, will man zukunftsorientiert arbeiten, und da leisten wir einen sehr hohen Beitrag.

 

Weiterführende Links:

 

Andreas Markt-Huter, 30-01-2006

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