Joaquim Amat-Piniella, K. L. Reich

In historisch bedingten Ausnahmefällen hat der Roman schon einen Roman erzählt, ehe er erscheinen kann.

Joaquim Amat-Piniella hat in realiter ein Leben als Kämpfer im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Republikaner hinter sich, eine Flucht nach Frankreich, eine Gefangennahme durch Nazi-Deutschland im besetzten Frankreich, eine Überstellung nach Mauthausen, eine Befreiung durch die US-Truppen und ein Leben als Schriftsteller in der Franko-Diktatur, ehe er 1963 den Roman „K. L. Reich“ in Barcelona herausgibt.

Normalerweise ist das Stoff für einen ganzen Schuber, für Amat-Pinella ist aber schon der einzelne Roman über Mauthausen eine überirdische Anstrengung, weil weder die prosperierende Bundesrepublik noch das vergessliche Österreich Interesse an diesem Roman zeigen. Und unter Franko verschwindet der katalanische Roman ebenfalls an die Peripherie der Wahrnehmung.

Erst nach Überwindung der Franko-Diktatur und dem Tod des Autors wird der Roman so etwas wie ein Memorial, das den jüngeren Generationen die Augen öffnet. Aber der Faschismus ist in Spanien beileibe noch nicht aufgearbeitet, weshalb „K. L. Reich“ immer noch mit Argwohn beäugt wird. Und dass der Roman erst jetzt ins Deutsche übersetzt ist, spricht ohnehin Bände.

Im sogenannten fiktionalen Teil des Romans, der erst mit den biographischen Hintergründen des Autors verständlich ist, erzählt die Hauptfigur Emili vom Aufbau des Konzentrationslagers (K. L. ) Mauthausen „an der schönen blauen Donau“ (99).

Die Tagesabläufe sind bis in die letzte Kleinigkeit brutal durchstrukturiert, die Themen von früher werden überlagert mit Überlebensfragen. Jeglicher Erzählstandpunkt ist gebrochen, weil niemand von den Insassen das ganze Geschehen zu einem Sinn formulieren kann. So sind auch Analysen höchstens vage Vermutungen, etwa die Überlegung, dass deutsche Kommunisten vielleicht anders ticken als spanische.

Und auch das Wachpersonal ist mit den spanischen Gefangenen noch nicht im Reinen, immerhin haben diese schon einen Krieg zu Hause geführt und man sieht, was nach einem Krieg herauskommt, während Deutschland ihn noch führt. Hinrichtungen mit der Benzinspritze, Nummernausgabe für das Bordell, Übersetzungsprobleme zwischen den einzelnen eingesperrten Sprachen laufen auf gleicher Ebene ab, es gibt kein Highlight und kein Zeitgefühl, der Rest ist Erzählung ohne Perspektive.

Man sollte als Leser diesen ungewöhnlichen Roman von hinten her über das Nachwort lesen, darin ist einmal der Rahmen abgesteckt, in dem sich der Roman bewegt. Die berührendste Erfahrung ist vielleicht, dass sich der endgültige Schrecken nur in Fiktion erzählen lässt. Der Roman ist eine Erkenntnisform, die die diversen Ereignisse, Dokumente und Erinnerungen erst zusammenzufügen vermag.

Nach dieser beinahe ehrfürchtigen Lektüre von „K. L. Reich“ merkt man auch, was und im Alltagsgeschäft des Lesens meist für ein Schwachsinn angedreht wird, denn dieser Roman trotzt allen Short- und Longlists und allen Rankings!

Joaquim Amat-Piniella, K. L. Reich. Roman, a. d. Katal. von Kirsten Brandt [Orig.: K. L. Reich, Barcelona 1963.] Mit einem Nachwort von Marta Marin-Domine
Wien: Czernin Verlag 2016, 368 Seiten, 24,90 €, ISBN 978-3-7076-0590-7

 

Weiterführende Links:
Czernin Verlag: Joaquim Amat-Piniella, K. L. Reich
Wikipedia: Joaquim Amat-Piniella (engl.)

 

Helmuth Schönauer, 04-12-2016

Bibliographie

AutorIn

Joaquim Amat-Piniella

Buchtitel

K. L. Reich

Originaltitel

K. L. Reich

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Czernin Verlag

Übersetzung

Kirsten Brandt

Seitenzahl

368

Preis in EUR

24,90

ISBN

978-3-7076-0590-7

Kurzbiographie AutorIn

Joaquim Amat-Piniella, geb. 1913 in Manresa, starb 1974 in Barcelona.