Friedrich Hahn, Komme, was wolle

friedrich hahn, komme, was wolleWie liest ein Nichtraucher einen Raucher-Roman? – Schnell, damit er keine braunen Finger kriegt. Und wie soll ein Zuckerbergverweigerer einen facebook-Roman lesen?

Friedrich Hahn lässt seinen hilflosen Helden dieses Mal im Facebook untergehen. Das tut nicht weh, ist sinnlos, und vergeht, wie es gekommen ist. Der Held heißt Erich Fröschl, ist 58 und von der Bank gerade golden beshaked worden. Jetzt ist er in der Ich-Perspektive, frustriert, einsam, vielleicht sollte er die Gefühle noch einmal auspacken oder zumindest die erotisch brauchbaren Teile davon.

Seine Tochter hat ihm einen Facebook-Account eingerichtet, jetzt blödelt er darin herum und überlegt sich, wie er seine verflossene Liebe zu M. wieder reaktivieren könnte. Er hat seine Liebschaften abgelegt unter Frauen, die sich leicht lieben lassen, und solche, bei denen es schwer geht. (46) Aber bald einmal merkt er Anzeichen von Abstumpfung. Er legt sich eine echte Datei jenseits von facebook an und nennt sie „Komme, was wolle“.

Sein Freund Wilhelm ist bereits in der Literatur tätig und überredet Erich, es mit echtem Schreiben zu versuchen. Auch wenn im Facebook immer wieder Versuche unternommen werden, über Literatur zu diskutieren, braucht es beim Schreiben echte Leser und echte Leute.

Der Held trainiert die Wirklichkeit, indem er einen alten Freund im Waldviertel besucht, quasi als Gegenteil zur virtuellen Welt. Jetzt ist er ermuntert genug, sich für ein Schreibseminar am Grundlsee anzumelden. Bei so einem Schreibseminar geht es zuallerletzt um das Schreiben, in der Hauptsache werden Befindlichkeiten in der Rundumperspektive ausgereizt. Der Trainer fordert zudem immer wieder „Übungsvorschläge“ ein. (109)

Tatsächlich ist zwischen der Erotikkomposition als Text und als Erlebnis des Helden für den Leser kein Unterschied, da der Sex in beiden Fällen als postfaktisch rüberkommt. Erich erglüht ein bisschen für Kerstin, die aber selbst nicht genau weiß, was sie geschrieben und was unter der Tuchent als Sex erlebt hat.

Freund Wilhelm hat inzwischen aus Versehen die Komme was wolle-Datei an eine Verlegerin geschickt, die es vom Sessel haut. Das ist Realität, das ist Literatur, das ist das Über-Facebook!

Der Erzähler überspringt immer öfter in seiner Ausführung Tage und Wochen und sagt es auch. Ich überspringe! (142) Das Manuskript soll ein Buch werden. Ich habe etwas abgeschlossen. Komme, was da wolle.

Friedrich Hahn bearbeitet in seinem Ideen-Roman das facebook als einen Irrtum, der den Helden nicht weiterbringt. Im klassischen Bildungsmuster eines Goethe bringt sein Freund „Wilhelm“ ihm ein Stück brauchbaren Sinn ins Haus, indem das Schreiben wieder das wird, was es sein soll. Ein Stück Aufklärung gegenüber sich selbst, wobei die umstehenden Leser allmählich zu Freunden werden. Auch für Facebook-Verweigerer gilt: Unbedingt lesen!

Friedrich Hahn, Komme, was wolle. Ein facebook-Roman
Innsbruck: Edition Laurin 2017, 149 Seiten, 19,90 €, ISBN 978-3-902866-48-6

 

Weiterführende Links:
Edition Laurin: Friedrich Hahn, Komme, was wolle
Wikipedia: Friedrich Hahn

 

Helmuth Schönauer, 22-02-2017

Bibliographie

AutorIn

Friedrich Hahn

Buchtitel

Komme, was wolle. Ein facebook-Roman

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Edition Laurin

Seitenzahl

149

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-902866-48-6

Kurzbiographie AutorIn

Friedrich Hahn, geb. 1952 in Merkengersch / NÖ, lebt in Wien.