Andreas Tiefenbacher, Der Liebesdilettant

andreas tiefenbacher, der liebesdilettantEin Dilettant hat für die Umstehenden immer etwas Komisches an sich, während er selbst im Innern vor Tragik zerbirst. Je höher das Thema, das von einem Dilettanten bestritten wird, desto witziger fällt das Scheitern aus.

Andreas Tiefenbacher lässt seinen Liebesdilettanten nach den Sternen des Scheiterns greifen, was zumindest das irdische Leben beschleunigt und eine auf gewöhnlich angelegte Biographie fallweise herausfordert.

Wir begegnen Wenzel Wurm, als er als Zivildiener im Salzkammergut als lebende Zwischenstation unterwegs ist. Die Ausbildung zum philosophischen Irgendwas ist abgeschlossen, ein Job noch nicht in Sicht. In dieser gedehnten Gegenwart des Zivildienstes eilt er von einem Unfall zum nächsten, transportiert kaputte Herrschaften und unglückliche Damen in die nächstbeste Therapie und verbringt die freie Zeit bei einem Sixpack, den er regelmäßig in der Wohnung seiner Freundin Marion austrinkt.

Die Liebe zu Marion leidet unter dieser Indoor-Philosophie, denn während sie ständig fit im Gelände unterwegs ist, überlegt er in nüchternen Momenten, dass er „eigentlich überhaupt sehr vieles nicht macht“. (85)

Der Zivildienst geht zu Ende und die Liebe löst sich auf, man fährt getrennt auf Urlaub und hat sich nicht mehr viel zu sagen, die Ansprüche an einander sind erloschen.

Wenzel gerät in ein loses Such-Delirium, mal inseriert er für einen Job, mal beschäftigt er sich mit Angeboten von Frauen. Das Interesse an beiden Säulen für ein impulsives Leben ist sehr mangelhaft ausgebildet, bei den Frauen genügt es ihm, wenn sie artig antworten, im Job hangelt er sich von der Thalia am Westbahnhof allmählich Richtung Innenstadt vor, bis er in einer Musikalienhandlung eine Weile hängenbleibt.

Gerade wenn die Chiffre-Post besonders nichtssagend ausfällt, beginnt er Marion zu vermissen, aber er schiebt das seinem diffusen Lebensgefühl zu, der ihn alles hinter einer Dunstwand erleben lässt. Die Tagesabläufe sind mit Allerweltsmaterial ausgefüllt, mal fühlt sich etwas nach Krankenstand an, dann fährt er einen Volksschüler am Zebrastreifen an, der aber aus Gummi zu sein scheint und unverletzt weitergeht.

Eine Zeitlang fühlt er sich zu einer gewissen Franziska hingezogen, die aber so stark abmagert, dass er sie aus den Augen verliert. Zwischendurch schreibt er Rezensionen für ein Literaturhaus und lässt dabei diese generelle Erlebnislosigkeit einfließen. Um ein Haar wird er selber niedergefahren, ein Rettungsfahrer kann gerade noch ausweichen. Wenzel ist nicht ganz klar, ob das jetzt ein neuer Unfall ist oder noch die Folge eines vorhergehenden.

Am Schluss lösen sich alle Verhältnisse in Schwerkraft auf. Der Held spürt noch, wie die abgemagerte Franziska von hinten kommt, da tut sich ein Fenster auf, noch im Fallen weiß er, dass er nicht querschnittgelähmt sein wird, als Dilettant für schwere Beziehungsfälle, wird er auch diesen Absturz überleben. – Lauter ausweglos fröhliche Liebesgeschichten!

Andreas Tiefenbacher, Der Liebesdilettant. Roman
Wien: Wortreich Verlag 2017, 248 Seiten, 19,90 €, ISBN 978-3-903091-25-2


Weiterführende Links:
Wortreich Verlag: Andreas Tiefenbacher, Der Liebesdilettant
Wikipedia: Andreas Tiefenbacher

 

Helmuth Schönauer, 07-03-2017

Bibliographie

AutorIn

Andreas Tiefenbacher

Buchtitel

Der Liebesdilettant

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Wortreich Verlag

Seitenzahl

248

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-903091-25-2

Kurzbiographie AutorIn

Andreas Tiefenbacher, geb. 1961 in Bad Ischl, lebt in Goisern und Wien.