Tecia Werbowski, Oblomowa

Tecia Werbowski, oblomowaSpätestens seit Otto Grünmandls Wunder-Programm „Ich bin nicht Oblomow“ wissen Fachleute des beschaulichen Lebens, wer Oblomow ist. Ein Held, wie für das Bett gemacht, mit starken beamteten Zügen.

Natürlich spielt das Bett auch in Tecia Werbowskis Roman „Oblomowa“ die Hauptrolle. Die Ich-Erzählerin Maya Ney ist stolz auf ihren Namen, weil er so kurz und vernünftig klingt und dennoch überflüssig ist, weil die Erzählerin vollkommen allein auf der Welt ist. Sie wohnt mittlerweile abgelegen in den kanadischen Wäldern und hat nur mehr eines im Sinn, ihre beiden Katzen durch die wunderschönen Jahreszeiten zu führen.

Aus ihrer Ehe mit Andrzej sind nur zwei edle Nachthemden geblieben, die sie auf der Hochzeitsreise in Paris gekauft hat. Ihr Mann ist schon lange tot, jetzt bleibt sie so lange wie möglich im Bett liegen und hofft, dass ihr die Zugeh-Frau Helenka das Frühstück ans Bett bringt.

Der letzte Kontakt mit einem echten Menschen ist schon sehr lange her. Einmal hat ein Student aus der Universität ihres verstorbenen Mannes für ein Projekt Quartier in ihrem Haus genommen. Aber weil er nicht auf die Katzen aufgepasst hat, hat Maya Ney ihm gleich wieder alle Klamotten vor die Tür gesetzt, weil er ja die Katzen-Spielregeln verletzt hat.
Im Bett bleibt viel Zeit zum Nachdenken, und oft kommen sogar Ergebnisse als Gedankenschleifen heraus.

Mit was für einem Blödsinn sich der Mensch beschäftigen und herumschlagen muss. (24)

So bleibt auch viel Zeit, die Jahreszeiten zu beurteilen, der Winter schwächelt mit seinen Stürmen, mit denen er die Menschen zu Hause in ihren Häusern lahmlegen könnte. Aber andererseits hofft die Heldin innig, dass sich nichts ereignen möge. (29)

Der Frühling ist die Jahreszeit, die sich am meisten beeilt. (65)

Im Juli und August geht die Heldin dann doch aus dem Haus und schwimmt stundenlang im See, bis der Sommer vorbei ist. Gegen Romanende hin tauchen die Depressionen auf, es wird schon wieder der Herbst sein. Wenn Weiterleben und Sterben gleich sinnlos sind, warum soll man sich dann umbringen? Andererseits, warum sollte man weiterleben? Die Heldin richtet zur Vorsicht ihre Dosis Tabletten her, um den Abgang zu machen. Natürlich klopft es jetzt an die Tür, das ist bei allen Romanen beim Sterben so. Also macht Maya Ney die Türe auf, und es wird wieder nichts mit dem Abgang, zumindest nicht in diesem Herbst.

In Oblomowa ist wie in Gontscharows Roman aus dem Jahr 1859 eine vorerst logische Lebensführung aufgebaut, die durch Liegen abgearbeitet werden muss. Freilich läuft das Programm bei Tecia Werbowski straff ab wie eine gelungene App. Mit kurzen Wischbewegungen synchron zu den Jahreszeiten ist das Leben bald einmal aus- und weggewischt. – Eine sehr witzige Deutung der Oblomowerei.

Tecia Werbowski, Oblomowa. Roman, a. d. Poln. von Barbara Schaefer
Hamburg: Atlantik Verlag 2017, 96 Seiten, 10,00 €, ISBN 978-3-455-60044-5


Weiterführender Link:
Atlantik Verlag: Tecia Werbowski, Oblomowa

 

Helmuth Schönauer, 17-04-2017

Bibliographie

AutorIn

Tecia Werbowski

Buchtitel

Oblomowa

Originaltitel

Oblomowa

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Atlantik Verlag

Übersetzung

Barbara Schaefer

Seitenzahl

96

Preis in EUR

10,00

ISBN

978-3-455-60044-5

Kurzbiographie AutorIn

Tecia Werbowski, geb. 1941 in Lwów, emigrierte 1968 nach Kanada.