Arno Heinz, Orient Blues

arno heinz, orient bluesEin Sprichwort sagt: In echten orientalischen Büchern lässt sich das Firmament am Umschlag berühren.

Arno Heinz hat seinen „Orient Blues“ in einen Blues-farbenen Leinenumschlag gesteckt, worauf nach einer Architekturskizze des Autors das Firmament als Stadtplan eingeprägt ist. Arno Heinz ist bekannt für seine Architekturarbeiten rund um das Mittelmeer, als Philosoph ist er so etwas wie ein Raum-Aufweiter, und als Lebensprogramm hat er etwas geschafft, wovon die meisten Tiroler nicht einmal zu träumen wagen, er ist aus dem Gebirge hinausgekommen!

So kommen im Orient-Blues Länder und Landstriche zum Vorschein, die man heute nur mehr von Raketenübergriffen und Massenhinrichtungen kennt. Über Syrien sagt er in einem Lektoratsgespräch: Ich verstehe nicht, was die Westler gegen die Russen in Syrien haben, die sind dort schon seit gefühlten Jahrtausenden.

Das ist ja immer die große Überlegung bei Erzählungen aus Hotspots: Wie kann ich den zeitlosen Blues erzählen, ohne das Aktuelle zu verraten. Arno Heinz hilft sich mit dem Dos-Passos-Trick. Er legt dessen „Orient-Express“ aus dem Jahre 1927 über seine Reisen aus den 1970er und 1980er Jahren, aus der Gegenwart betrachtet entstehen dabei dreidimensionale Geschichten.

In den zwölf Erzählungen kommen Länder wie Tunesien, Saudi-Arabien, Ägypten, Syrien oder die Türkei zu Ehren, diese Länder hat der Autor meist im Auftrag der UNESCO (19) bereist, und dabei die seltsamsten Geländeformationen, Soziotope und Architekturen inventarisiert. Zwischen den Zeilen stellt sich immer das Problem, ob man als Außenperspektive nicht automatisch in einen Seh-Duktus von Kolonialismus verfällt.

Der Erzähler umgeht diese Falle, indem er möglichst außerhalb der offiziellen Missionen mit den Fachleuten ins Gespräch zu kommen versucht. Natürlich führt man ihm die Gebräuche vor, lässt ihn als Pferdeflüsterer auftreten, mit einem Geländewagen ins Out driften und zeigt ihm allerhand musikalische und künstlerische Schönheiten ums Eck. Der Beobachter gibt während dieser Erkundungen alles auf, was ihn aus europäischer Sicht einschränken könnte. Und hinter den weltpolitischen Analysen kommen oft ganz einfache Geschichten hervor, die von Sehnsucht, Jugend und einem unendlichen Optimismus handeln.

Der Orient Blues verschweigt nicht, dass die Zeit der ungebrochenen Frechheit des Individuums vorbei ist. Vieles, was hier erzählt wird, lässt sich heute nur mehr als Erzählung erleben. Der Orient hat seinen Erlebniskatalog verändert, mit den Sinnesorganen der 1980er Jahre lässt er sich nur mehr als Blues erleben. Mag sein, dass schon wieder Generationen unterwegs sind, die in fünfzig Jahren wiederum in einem Blues verfallen werden, wenn sie von der Gegenwart erzählen.

Arno Heinz liefert wundersame Erzählungen vom Schauen, Fühlen und Tasten, er baut diese Texte wie architektonische Gebilde mit den Elementen Statik, Licht und Spannung. Und zwischen den Zeilen ist ein Freiheits-Epos verborgen: Seht her, so schön ist es draußen, wenn es euch gelingt, hinauszukommen!

Arno Heinz, Orient Blues. Erzählungen
Innsbruck, Wien: Kyrene Verlag 2017, 78 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-902873-57-6


Weiterführende Links:
Kyrene Verlag
Lexikon Literatur in Tirol: Arno Heinz

 

Helmuth Schönauer, 24-04-2017

Bibliographie

AutorIn

Arno Heinz

Buchtitel

Orient Blues

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Kyrene Verlag

Seitenzahl

78

Preis in EUR

18,50

ISBN

978-3-902873-57-6

Kurzbiographie AutorIn

Arno Heinz, geb. 1941 in Innsbruck, lebt heute vorwiegend in Paris.