Michael Stavaric, in an schwoazzn kittl gwicklt

Michael stavaric, in an schwoazzn kittl gwickltWer eine Sprache lernt, obwohl er angeblich schon eine hat, kann bereits den Lernvorgang beschreiben. Bei der Erstsprache hingegen muss man alles nehmen, wie es kommt.

Michael Stavaric hat an der deutschen Sprache immer die Dialektform interessiert, nach dem Motto: So etwas will ich auch haben! Dabei hat er sich in der ersten Phase mit Dialekten auseinandergesetzt, die oft nur Klang und schräge Bedeutung gehabt haben. Quellen für diese teils schriftlichen Auseinandersetzungen mit dem Dialekt sind naturgemäß H.C. Artmann und Helmut Qualtinger.

Aber auch der Witz, wonach alle Gegenden Deutschlands in der Schöpfungsgeschichte einen eigenen Dialekt bekommen haben, nur die Wiener nicht, weil sie wie der Herrgott reden, auch dieser Witz ist Pate gestanden für die Sammlung „in an schwoazzn kittl gwicklt“.

In der graphischen Aufbereitung sind immer wieder Dialekt-Gedichte in schwarzer Kugelschreiberniederschrift zu sehen, im Zeitalter der Displays ist das bereits eine lyrische Aktion. Die 83 Gedichte sind schließlich durchnummeriert, links im Dialekt, rechts in einer schriftdeutschen Notenschrift.

Am besten liest man das Konvolut in einem Satz durch, dann hat man links einen vollendeten Heurigenabend und rechts einen Roman über die Subkultur Wiens.

Einen Schwerpunkt bieten rund um den schwarzen Mantel des Todes natürlich offene Gräber, Ratten, Blut, Friedhöfe und Suizid-Locations. Der Sound fetzt ungeniert zwischen Leben und Tod hin und her, eben noch hat jemand seinen Ausweis verloren, da hat sich auch schon der Nachbar aufgehängt (27), eben noch haben die Spaghetti quietschlebendig im Kochwasser einen Tanz hingelegt, da zieht man auch schon etwas jenseits der Verdauung aus dem Donaukanal.

Wenn es um den Tod geht, hat der Wiener Dialekt mehr Wörter als Anlässe, sodass man bereits einen einzigen Tod seitenweise beschreiben kann und sich dabei nie wiederholt. Der Tod scheint mehr Gedichte auszulösen als das Leben, vielleicht, weil das echte Gedicht immer auch ein Stück Tod in sich trägt.

Das lyrische Ich driftet zwischen Stammersdorf und dem Elternhaus hin und her, das Elternhaus ist vorsichtshalber neon-grün gestrichen, als Warnung und Beschreibung der eigenen Leber. Die Doors werden auch im Jenseits gespielt, das ist klar, zum Aufwärmen dringen sie freilich auch nach der Sperrstund aus dem Lokal, „when the music ‘s over“.

Alles kann zu einer Last werden, die man mühselig überwinden muss, die Fliesen im Bad haben nur den einen Sinn, dass man sie nach Jahrzehnten herunterschlägt und erneuert.

Je heftiger der Tod seinen Mantel zuschlägt, umso lustiger geht es darunter zu. Diese Philosophie ist unbestechlich aber höchst ansteckend. Und für zaghafte User hat der Wiener Dialekt noch immer einen sagenhaften Spruch bereit: „Jeder Trottel derstirbt es!“ – Anthrazitschwarz.

Michael Stavaric, in an schwoazzn kittl gwicklt. Gedichte
Wien: Czernin Verlag 2017, 111 Seiten, 17,00 €, ISBN 978-3-7076-0600-3

 

Weiterführende Links:
Czernin Verlag: Michael Stavaric, in an schwoazzn kittl gwicklt
Wikipedia: Michael Stavaric

 

Helmuth Schönauer, 22-05-2017

Bibliographie

AutorIn

Michael Stavaric

Buchtitel

in an schwoazzn kittl gwicklt. Gedichte

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Czernin Verlag

Seitenzahl

111

Preis in EUR

17,00

ISBN

978-3-7076-0600-3

Kurzbiographie AutorIn

Miachael Stavaric, geb. 1972 in Brno, lebt in Wien.