Tom Burgis, Der Fluch des Reichtums

tom burgis, fluch des reichtums„Ich begann, den roten Faden zu sehen, der ein Massaker in einem abgelegenen afrikanischen Dorf mit den Freuden und Bequemlichkeiten verbindet, die wir in den reicheren Teilen der Welt genießen. Er zieht sich durch die globalisierte Wirtschaft, von Kriegsgebieten bis zu den Gipfeln von Macht und Reichtum […]. Dieses Buch ist mein Versuch, diesem Faden zu folgen. (S. 11)

Afrika gilt als der reichste Kontinent der Welt, doch für die große Mehrheit der Bevölkerung hat sich dieser Reichtum als Fluch erwiesen. Die üppigen Ressourcen bewirken, dass die Regierenden und Herrschenden nicht auf die Steuereinnahmen ihrer Bevölkerung angewiesen sind und damit für das Regieren auch nicht auf ihre Zustimmung benötigen, um an der Macht zu bleiben.

In seiner Vorbemerkung erzählt der Autor in ganz persönlichen Worten über seinen psychischen Zusammenbruch, der er im Jahr 2010 als Folge der grauenhaften Erlebnisse als Berichterstatter an der Grenzlinie zwischen dem vorwiegend muslimischen Norden und dem vorwiegend christlichen Süden Nigerias erlitten hat. Die Auseinandersetzung mit seinen Erlebnissen hat ihn zur Recherche für die Ursachen der Konflikte in Afrika erwogen, deren Analysen und Ergebnisse in überaus sachlicher und emotionsfreier Weise in diesem Buch wiedergegeben werden.

Am Beispiel der „Futungo GmbH“ wird aufgezeigt, wie durch die Ölindustrie der Einfluss einzelner kleiner Gruppen in einem Land anwächst und welche Auswirkungen diese wirtschaftliche Entwicklung auf die Korruption der Mächtigen und die Armut der Menschen gehabt hat. Burgis zeigt auf, wie der angolanische Präsident die Reichtümer des Landes, mit Hilfe seines Schwagers Manuel Vicente, immer mehr zum Privateigentum seines Umfelds umgestaltet. Durch die skrupellosen Geschäfte dieser Clique entgehen dem Staat mehr als 1,3 Milliarden Dollar an Einnahmen.

Ein anderes Kapitel beschäftigt sich mit der Bedeutung von Rohstoffen im Kongo wie Gold, Zinn, Wolfram und vor allem Tantal, das sich durch seinen hohen Schmelzpunkt ganz besonders für die Herstellung elektronischer Teile eignet. Ob im Kongo der Reichtum an Mineralien, in Nigeria das Öl oder in Guinea das Vorkommen von Bauxit überall erweist sich die private Bereicherung einzelner Akteure als Ursache für das Zerfallen des Staats, für Krieg und die Armut der Bevölkerung.

Neben Europa und Amerika mischt nun auch China im Geschäft mit den Rohstoffen mit, wo wie in Afrika selbst Schattengesellschaften durch Korruption und persönliche Beziehungen die Politik des Landes bestimmen. Ein interessantes Beispiel bietet der Import chinesischer Stoffe mit traditionell afrikanischen Mustern nach Nigeria. Obwohl der Import von Textilien gesetzlich verboten ist, lässt sich seit den 80-iger Jahren des 20. Jahrhundert ein stetiger Niedergang der nigerianischen Textilindustrie beobachten. Von den ursprünglich 175 Textilfabriken mit 350.000 Beschäftigten bestehen heute nur noch 25 Fabriken mit 25.000 Beschäftigten. Trotz Verbots werden 85 % der Textilien heute importiert.

Tom Burgis Bild von der Ausbeutung des afrikanischen Kontinents lässt sich schwer ertragen und mit gerechten Wirtschaftsbeziehungen, geschweige denn moralischen Kategorien in Einklang bringen. Mit viel Präzision und Akribie zeichnet er Strukturen und Beziehungen nach, die den Verfall afrikanischer Wirtschaften als Folge von Ausbeutung durch die Konzerne und Gesellschaften Europas, Amerikas und Chinas offenlegen, wobei auch die Lebensweise und der Konsum der dort lebenden Bevölkerung ihren Anteil hat.

Ein überaus wichtiges und aufklärendes Sachbuch, das manche Probleme der Gegenwart, wie z.B. die Migration von Süden nach Norden in einem neuen Licht erscheinen lässt. Zum Abschluss erklärt Burgis:

Solange wir uns dafür entscheiden, unseren Blick von alldem abzuwenden, wird die Plünderungsmaschine weiterlaufen. (S. 304)

Tom Burgis, Der Fluch des Reichtums. Warlords, Konzerne, Schmuggler und die Plünderung Afrikas, übers. v. Michael Schiffmann [Orig. Titel: The Looting Machine]
Frankfurt a. Main: Westend Verlag 2016, 352 Seiten, 24,70 €, ISBN 978-3-86489-148-9

 

Weiterführender Link:
Westend Verlag: Tom Burgis, Der Fluch des Reichtums

 

Andreas Markt-Huter, 07-05-2019

Bibliographie

AutorIn

Tom Burgis

Buchtitel

Der Fluch des Reichtums. Warlords, Konzerne, Schmuggler und die Plünderung Afrikas

Originaltitel

The Looting Machine

Erscheinungsort

Frankfurt a. Main

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Westend Verlag

Übersetzung

Michael Schiffmann

Seitenzahl

352

Preis in EUR

24,70

ISBN

978-3-86489-148-9

Kurzbiographie AutorIn

Tom Burgis ist als Auslandsreporter für die Financial Times tätig, zuletzt in Johannesburg und Lagos. Aktuell lebt er in London, wo er ein Team für investigativen Journalismus leitet und heute ein gefragter Kommentator bei der BBC, CNBC und weiteren internationalen Fern- und Radiosendern ist.