Markus Lindner, Klei

markus lindner, kleiDie intensivsten Romane sind immer jene, die einem Zustand, Material oder einer Lage gewidmet sind. Klei ist alles davon und so etwas wie der reine Roman. Klei ist nichts anderes als getrockneter Schlick, der sich jeden Tag neu formiert, um sich nach einer Weile wieder zu verlagern.

Markus Lindner zeigt vielleicht so etwas wie eine mentale Robinsonade, einen Bildungsroman über einen Aussteiger, der auf dem Weg in die Zukunft im Lebens-Schlick hängen bleibt.

Der Ich-Erzähler hat eine kleine Erbschaft gemacht und arbeitet fallweise als Korrektor, so kann er sich einen beinahe romantischen Lebensstil auf einer kleinen Insel vor der Zivilisation leisten. Manchmal fängt er seltsame Spooters, das sind Delikatessenwürmer vom Strand, dann legt er wieder einen kleinen Spieldeich an und erobert sich etwas Land. Sonst versucht er im Lebenslauf der Inselbewohner unterzukommen und feiert den Brauch, dass die Gemeinschaft aus dem Häuschen ist, wenn jemand ans Festland fährt, um zu studieren.

In den letzten Tagen begannen wir über die Inselbewohner zu reden. (33)

Für die visuellen Künste ist eine Dunkelkammer eingerichtet, darin sollen Fotos von antarktischer Größe entwickelt werden. Denn so sehr man auch aussteigt, in der vernetzten Welt wird man von allem eingeholt. Das trifft auf den Schlick genauso zu, der aus den Festlandgletschern abgerieben ist, wie auf den gigantischen Plastikmüll im Ozean, der mittlerweile als eigener Kontinent betrachtet wird.

Die nächsten Tagen - oder waren es Wochen oder Monate? - sind Treiben, wie ein Stück Treibholz herumgeworfen worden im Seegang. (60)

Der Geographielose Zustand im Grau von Nebel, Schlick und Amorpher Masse lässt sich empfinden als seltsame Mischung aus Hoffnung, Blindheit und Manie. (70)

Der Held fährt aufs Festland, fliegt von einem Airport im Nebel weg und rattert plötzlich durchs Waldviertel. Der Schlick bei Gmünd ist ähnlich wie der Klei an der Küste, die Begegnungen mit den Menschen sind seltsam klar verhangen wie bei erinnerten Personen aus der Kindheit. Der Fluss ist zuerst einfach da, später erfährt man von ihm, dass er Thaya heißt und so etwas wie einen Verlauf hat. Er gleicht in seiner mäandernden Verborgenheit den Menschen, die plötzlich jäh hinter dem größten Truppenübungsplatz des Kontinents auftauchen.

Und dann geht es in den Winter zurück zum Schlick, Inseln sind seit jeher ideale Gefängnisse.

Markus Lindner erzählt von einem romantischen Helden, der sich hinter dem Web auf konkretem Boden klar werden und ausbreiten will. Aber der Boden ist schwammig, und auch das Firmament schaut heutzutage wie eine Grafik im Netz aus, das W der Cassiopeia leuchtet heutzutage als Buchstabeninstallation auf dem Display. (66) - Romantisch, klar und voller Balance im schwammigen Grund!

Markus Lindner, Klei. Roman
Weitra: Bibliothek der Provinz 2017, 100 Seiten, 13,00 €, ISBN 978-3-99028-688-3

 

Weiterführende Links:
Bibliothek der Provinz: Markus Lindner, Klei
Wikipedia: Markus Lindner

 

Helmuth Schönauer, 30-12-2017

Bibliographie

AutorIn

Markus Lindner

Buchtitel

Klei

Erscheinungsort

Weitra

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Bibliothek der Provinz

Seitenzahl

100

Preis in EUR

13,00

ISBN

978-3-99028-688-3

Kurzbiographie AutorIn

Markus Lindner, geb. 1970 in Schwaz, lebt in Wien.