Johannes J. Voskuil, Abgang. Das Büro 6

johannes voskuil, abgangDas Büroleben verläuft immer in einem gewissen Abstand zur Außenwelt, Veränderungen und Spannungen können daher nur entstehen, wenn sich der Graph der Außenwelt in die Zacken von Auf und Ab wirft.

Im sechsten Band lässt Johannes J. Voskuil seinen Helden Marteen Konig allmählich an sein biologisches und bürokratisches Ende kommen. Das Jahr 1982 endet mit einer Diskussion über die häufigste Krankheit von Bürohengsten. Der Rücken tut plötzlich allen im Institut für Volkskunde weh, vielleicht auch nur, weil sie einen neuen Sessel wollen.

„Solange du keine Rückenschmerzen hast, kriegst du keinen neuen Stuhl“, (15) sagt Marteen, der sich seine Position schmerzfrei über fast vierzig Jahre ersessen hat.

Das Jahr 1983 beginnt dann auch mit einem Alptraum, zu Marteen steigt ein großes Tier ins Bett, und als er verrückt und durchgeschwitzt aufwacht, erklärt er seiner Frau:

Es wird wohl das Büro gewesen sein. (39)

Das Büro steht immer im Windschatten der Gesellschaft, und ab und zu wird es als ein verstecktes Reservoir für Einsparungen genützt. Mit jedem neuen Minister wird irgendwas gekürzt, aber Marteen hat keine Angst, „das Büro lösen sie nicht auf!“ (697).

Irgendwo zwischen Ministerium und Außenwelt ist die sogenannte Hauptabteilung angesiedelt, die jeweils verrückte Personalentscheidungen trifft. Als der aktuelle Direktor in den Ruhestand tritt, muss Marteen zwar dessen Verabschiedung organisieren, kommt aber nicht als Nachfolger zum Zug. Vielleicht hat es auch mit seiner Ernsthaftigkeit zu tun, dass er kein Wissenschaftler sein will, was manchmal zu einem Ehekrach führt. So einen Mann will ich nicht, sagt die Ehefrau lapidar und schmerzfrei.

Bei einem Kongress kommt die Strategie des Büros auf den Prüfstand:

Was ist unser Ziel? – Herauszufinden, welche Gegenstände Menschen benutzen, um sich als Gruppe von anderen Gruppen zu unterscheiden.

Hier setzt sich immer wieder verschmitzte Wissenschaftskritik durch. Die Wissenschaft ist zwar logisch und schlüssig, wenn sie einmal in die Spurweite eines Themas gebracht ist, bei der Themen- und Personalfindung freilich herrscht das pure Bauchgefühl, unterstützt von der jeweiligen hormonellen Tagesverfassung der Protagonisten.

Vor allem während der Urlaubszeit wird Marteen heftig von Bürokrämpfen geschüttelt, er wird demnächst in Früh-Pension gehen und fühlt sich schon jetzt haltlos wie am Rande einer Schlucht stehend. Im Büro hat er sich dann noch einmal kurz unter Kontrolle:

Aber ich bin fast weg, und dann könnt ihr machen was ihr wollt. (720)

So dreht sich im neuen Jahr 1987 dann alles nur mehr um die Tagesverfassung von ehemaligen Mitarbeitern, die in der Pension herumtaumeln oder im Pflegeheim in der Demenz etwas erwarten, was sie vergessen haben. Ende heißt das, Abgang.

Ein Band steht noch aus. Band 7 wird „Der Tod des Maarten Konig“ heißen.

Johannes J. Voskuil, Abgang. Das Büro 6, Roman, a. d. Niederl. von Gerd Busse [Orig.: Het bureau 6; Afgang, Amsterdam 2000]
Berlin: Verbrecher Verlag 2017, 750 Seiten, 34,00 €, ISBN 978-3-95732-011-7

 

Weiterführender Link:
Verbrecher Verlag: Johannes J. Voskuil, Abgang
Wikipedia: J. J. Voskuil

 

Helmuth Schönauer, 12-12-2017

Bibliographie

AutorIn

Johannes J. Voskuil

Buchtitel

Abgang. Das Büro 6

Originaltitel

Het bureau 6; Afgang

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Verbrecher Verlag

Reihe

Das Büro, Bd. 6

Übersetzung

Gerd Busse

Seitenzahl

750

Preis in EUR

34,00

ISBN

978-3-95732-011-7

Kurzbiographie AutorIn

Johannes J. Voskuil, geb. 1926, schied am Tag der Arbeit 2008 freiwillig aus dem Leben.