Carlo Bonini, ACAB - All Cops Are Bastards
Graffitis und Wandmarkierungen lassen bei Tageslicht nur dämmrig erahnen, was sich vielleicht in den Nächten davor abgespielt hat. Der Kampfruf, „All Cops Are Bastards“, bringt die Wut auf den Staat zum Ausdruck, wenn man die entsprechenden Geschichten hört und die einschlägigen Protokolle liest.
Der Jurist und Investigativ-Journalist Carlo Bonini geht in seinem Thriller den Spuren der italienischen Gewalt nach, die mittlerweile staatstragend geworden ist. Im Mittelpunkt stehen dabei die von der Behörde organisierten Exzesse beim G-8-Gipfel in Genua. Damals 2001 haben Spezialtruppen Schlägereien provoziert, Menschen willkürlich verhaftet und in einem Auffanglager gefoltert. Der Student Carlo Giuliani ist zu Tode gekommen, die Aufarbeitung durch die Justiz hat bis in die Gegenwart gedauert.
Im Roman stellt ein Zitat von Pier Paolo Pasolini die entscheidende Frage, warum angekaufte Polizisten, die gleichviel verdienen wie Arbeiter, auf angeheuerte Werktätige vorgehen. Steckt hinter diesen Gewalttruppen vielleicht eine höhere Macht, oder geht es nur darum, wer die höhere Gage bezahlt, damit die Truppen loslegen?
In der Spezialtruppe „Celerini“ ist jedes Wochenende Chaosbekämpfung angesagt. Meistens sind es Gewaltspiele rund um die Fußballclubs, die zu regelrechten Schlachten führen. Bereits auf der Anreise kommt es auf den Autobahnen zu Provokationen, die als Verkehrsunfälle getarnt sind. Während des Einsatzes hat jeder seine Spezialaufgabe, im Fokus steht dabei der Granatwerfer, den ein promovierter Polizeijurist bedient, damit das Kampfgas auch juristisch einwandfrei eingesetzt ist. Zum Einsatz kommen auch die gefürchteten Tonfas, ein Schlagstock mit Quergriff, hart wie Stahl, von chinesischen und japanischen Kampfsportarten abgeschaut. (25)
In den Kampfpausen zwischen G-8, Fußballrandale und Kampfeinsatz auf illegalen Müllplätzen sitzen die Beamten am Internet und klicken sich durch die einschlägigen Webseiten. Dabei tauchen Schriften auf, die durchaus einen Staatsstreich vorsehen, die Gewalt ist allgegenwärtig.
Aus der Sicht von einzelnen Beamten zeigt sich die allumfassende Schlacht als Kampfspiel, das aus dem Schlitz des Polizeihelmes heraus betrachtet wird. Sinnigerweise ist einem Kampfhund ein eigenes Kapitel gewidmet, der Dobermann trägt in dieser Gewaltgesellschaft beinahe menschliche Züge, wenn er diverse Luxuslimousinen anschifft, ehe ihm der Beißschutz abgenommen wird.
Der Thriller erzählt sich quasi von selbst, indem ununterbrochen brisante Dokumente an die Text-Oberfläche gespült werden. Der Investigativ-Journalismus übernimmt dabei die Rolle eines halbwegs objektiven Erzählers und Moderators.
Carlo Bonini versucht, den Untergrund des Staates zu beschreiben, der Woche für Woche bürgerkriegsmäßig explodiert und nur mit Mühe wieder bis zum nächsten Wochenende sediert werden kann.
Das Gedächtnis ist eine merkwürdige Vorrichtung. Es bewahrt einzelne Bilder einer Sequenz, löst aber den Zusammenhang auf. (27)
Carlo Bonini, ACAB - All Cops Are Bastards. Thriller, a. d. Ital. von Karin Fleischanderl [Orig.: ACAB, Torino 2009]
Wien, Bozen: Folio Verlag 2018, 191 Seiten, 18,00 €, ISBN 978-3-85256-736-9
Weiterführende Links:
Folio Verlag: Carlo Bonini, ACAB - All Cops Are Bastards
Wikipedia: Carlo Bonini
Helmuth Schönauer, 01-03-2018