Marcus B. Klöckner, Sabotierte Wirklichkeit

Sabotierte Wirklichkeit.„Warum reagieren gerade leitende Akteure aus dem journalistischen Feld so emotional auf die Kritik an ihrer Arbeit? Warum gelingt es den kritisierten Medien nicht, die Kritik an ihrer Arbeit anzunehmen und sie konstruktiv in ihrem, aber auch im Sinne der Mediennutzer und vor allem: der Demokratie, zu verarbeiten? Mit diesen und anderen Fragen ist der Rahmen für dieses Buch gesetzt.“ (S. 12)

Die Medien gelten gemeinhin als vierte Gewalt im Staat, die durch ihre Berichterstattung das politische Leben und die öffentliche Diskussion zu beeinflussen vermögen. „Sabotierte Wirklichkeit“ zeigt auf, warum immer mehr Bürger daran zweifeln, dass Medien ihrer wichtigen Aufgabe nachkommen, politische und gesellschaftliche Zustände und Prozesse kritisch zu beleuchten und objektiv darzustellen.

Zunächst setzt sich Klöckner mit der verdeckten „Selbstzensur“ im Medienbereich auseinander, die im Gegensatz zur Zensur durch den Staat, von den Medien selbst ausgeht. Im Mittelpunkt dabei steht die berufliche Sozialisation von Journalisten, die ein bestimmtes Weltbild und eine bestimmte Weltsicht entstehen lassen, die vor allem mit den Mächtigen und Einflussreichen der Gesellschaft harmonisiert und wie ein Filter Schwerpunkte der Berichterstattung setzt und mehr oder weniger verdeckt Werturteile in ihren Beiträgen vermittelt.

Im Kapitel „Medienwirklichkeit“ werden die vorangegangenen einzelnen Kritikpunkte anhand zahlreicher Beispiele aus der Medienwelt in der Vergangenheit erläutert und untermauert. Aufgezeigt wird, wie gesellschaftlich relevante Meldungen von Medien kollektiv ignoriert, als unwichtig ausgesondert oder an nachgeordneter Stelle präsentiert werden, wenn sie nicht dem allgemeinen Weltbild der Medienvertreter entsprechen.

Eine andere Kritik betrifft das Verhalten vieler Medienvertreter, Aussagen von Politikern ungeprüft zu übernehmen und als objektive Wahrheit weiterzugeben, was am Beispiel der Berichterstattung über den Amoklauf in der Albertville Realschule in Winnenden aufgezeigt wird, wo sich eine Mitteilung eines Innenministers als falsch erwiesen hat. Ein anderer Punkt betrifft die einseitige Parteinahme von Medien und Fernsehmoderatoren, die an verschiedenen Beispielen aus dem Zeitungs- und Fernsehbereich aufgezeigt wird.

Das abschließende Kapitel „Herrschaftsnähe“ zeigt die mitunter enge Verflochtenheit zwischen Journalisten und Politikern, die sich erkennbar auf die Berichterstattung in den Medien auswirkt. Dies führt dazu, dass bestimmte kritische Fragen nicht gestellt werden und dass vor allem Themen zur Sprache kommen, die von Politikern und Journalisten gemeinsam für berichtenswert befunden werden. Wie sehr die kollektive Selbstzensur im Medienbereich funktioniert, zeigt Klöckner am Beispiel eines niederländischen Journalisten auf, der sich nicht an die unausgesprochenen Verhaltensregeln seiner Kollegen hält und es wagt, eine überaus kritische und für die entsprechende Politikerin unangenehme Frage zu stellen.

Marcus Klöckners überaus spannende Analyse der Medienwelt der Gegenwart bietet tiefe Einblicke in die Lebenswirklichkeit von Journalisten und die Entstehung von Nachrichtenmeldungen. Dabei wird auch deutlich herausgearbeitet, weshalb sich immer mehr Menschen von den öffentlichen Medien schlecht oder sogar falsch informiert fühlen.

„Sabotierte Wirklichkeit“ ist eine überaus kritische und empfehlenswerte Auseinandersetzung mit der Medienwelt, die einen neuen, kritischen Blick auf Medienberichte eröffnet und die Mechanismen aufzeigt, wie und warum Berichte auf eine bestimmte Weise entstehen.

Marcus B. Klöckner, Sabotierte Wirklichkeit. Oder Wenn Journalismus zur Glaubenslehre wird
Frankfurt a. Main: Westend Verlag 2019, 240 Seiten, 19,60 €, ISBN 978-3-86489-274-5

 

Weiterführender Link:
Westend Verlag: Marcus B. Klöckner, Sabotierte Wirklichkeit

 

Andreas Markt-Huter, 04-11-2019

Bibliographie

AutorIn

Marcus B. Klöckner

Buchtitel

Sabotierte Wirklichkeit. Oder Wenn Journalismus zur Glaubenslehre wird

Erscheinungsort

Frankfurt a. Main

Erscheinungsjahr

2019

Verlag

Westend Verlag

Seitenzahl

240

Preis in EUR

19,60

ISBN

978-3-86489-274-5

Kurzbiographie AutorIn

Marcus B. Klöckner studierte Soziologie, Medienwissenschaften und Amerikanistik. Herrschafts- und Medienkritik kennzeichnen seine Arbeit als Journalist und Buchautor.